Alera 02 - Zeit der Rache
strich ihr übers Haar, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. Schließlich versuchte ich es erneut, obwohl ich wusste, dass meine Frage eine schlimme Zudringlichkeit darstellte.
»Misshandelt dein Mann dich?«
»Er bestraft mich, um mich Disziplin zu lehren«, presste sie hervor, richtete sich auf und holte noch leicht schluchzend Luft. »Ich versuche – gehorsam zu sein, aber es gibt viel mehr Regeln, als ich mir merken kann. Es sind einfach zu viele, ich schaffe es nicht. Ich werde es nie schaffen. Alera … Es tut mir leid.«
»Dir tut es leid?«
Ich war perplex und erschrocken und ungeheuer wütend. Wie konnte ein Mann von Adel, ein Soldat oder irgendein Mann seine Frau derartig schlecht behandeln? Viele Ehemänner waren zwar der Ansicht, dass ihre Frauen hin und wieder eine Ohrfeige verdienten, aber so etwas? Plötzlich war ich von Dankbarkeit für meinen eigenen Gemahl erfüllt, dem gegenüber ich es manchmal am gebührenden Respekt fehlen ließ, der aber dennoch bis dato nicht die Hand gegen mich erhoben hatte.
»Reveina, sag nicht, dass es dir leidtut. Das hat nichts mit Disziplin zu tun. Das ist Grausamkeit.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll, um ihm zu Gefallen zu sein. Ich fürchte mich, wenn er nach Hause kommt, dabei sollte ich ihn doch fröhlich willkommen heißen. Er ist kein schlechter Mann. Innerhalb des Militärs ist er hoch angesehen, und er ist auch ein guter Ernährer. Ich weiß, wenn ich ihm eine bessere Frau sein könnte, dann würde er mich nicht so behandeln.«
Bei ihren Worten drehte sich mir der Magen um, denn die Vorstellung, dass sie seine Behandlung verdiente, war unerträglich. Sie sah mich verzweifelt an, und ich hätte sie so gern vor ihm beschützt.
»Ich bitte um Verzeihung, Eure Majestät, aber jetzt sollte ich wirklich gehen. Ich muss zu Hause sein, bevor Lord Marcail am Ende eines Tages nach Hause kommt.«
Ich nickte, weil ich ihr keine weiteren Schwierigkeiten bereiten wollte. Also stand ich auf, was sie ebenfalls tat.
»Ich weiß nicht, was ich tun könnte, aber ich werde versuchen, einen Weg zu finden, dir zu helfen, Reveina. So solltest du jedenfalls nicht leben müssen.«
»O nein, bitte nicht«, flehte sie und packte mich am Arm, während wir beide in Richtung Tür gingen. »Dann würde er nur erfahren, dass ich mich über ihn beklagt habe.«
Sanft löste ich ihre Finger. »Ich schwöre dir, dass ich dich nicht in Gefahr bringen werde.«
Nachdem Reveina gegangen war, blieb ich noch lange in meinem Salon und dachte über ihre schlimmen Enthüllungen nach. Ich hatte gesagt, ich würde tun, was ich könnte, um ihr zu helfen, doch was stand tatsächlich in meiner Macht? Ihr eine Schulter zum Ausweinen anzubieten? Eine gelegentliche Zuflucht? Eine solche Hilfe konnte man nur schwach nennen, und sie änderte nichts an der Tatsache, dass sie ihren Ehemann nicht verlassen konnte. Denn das würde ihren Ruf ruinieren. Ich hasste den Gedanken, dass ich ein offenbar leeres Versprechen gegeben hatte.
Dann versuchte ich zu überlegen, wer mir helfen könnte. An wen hatte ich mich in der Vergangenheit gewandt? An London? Doch der war fort und wurde in Cokyri festgehalten. Eine schreckliche Vorstellung, Narians Beteuerungen zum Trotz. Meine Mutter? Sie war seit Mirannas Verschleppung nicht mehr wirklich sie selbst, außerdem hätte sie in diesem Zusammenhang ohnehin wenig vermocht. Mein Vater? Nach wie vor waren wir nicht besonders gut aufeinander zu sprechen, und seine Ansichten von Frauen waren dergestalt, dass er sich im Zweifelsfall immer auf die Seite des Mannes geschlagen hätte. Dann fiel mir endlich jemand ein, und ich eilte den Gang entlang.
Durch das Vorzimmer betrat ich den Thronsaal, wandte mich dann nach rechts und klopfte an die Tür des Hauptmannes. Mit großer Erleichterung hörte ich, wie er mich hereinbat. Er saß hinter seinem Schreibtisch, den Federkiel in der Hand, und schrieb kratzend eilig Worte auf den vor ihm ausgebreiteten Pergamentbogen. Ich wusste, was für ein Glücksfall es war, ihn allein anzutreffen. Flüchtig blickte er auf.
»Gibt es etwas, das ich für Euch tun kann, Eure Hoheit?«
Er legte den Federkiel beiseite und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Ja«, sagte ich und durchquerte den Raum, bis ich vor seinem Schreibtisch stand. »Ich benötige Euren Rat … vielleicht auch Eure Hilfe.«
»Selbstverständlich.« Er erhob sich, bot mir einen Stuhl an, und ich nahm Platz, während auch er sich wieder setzte.
»Der
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