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Alera 02 - Zeit der Rache

Alera 02 - Zeit der Rache

Titel: Alera 02 - Zeit der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cayla Kluver
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hatte geglaubt, London würde ihm Antworten hinsichtlich der mysteriösen Unschlagbarkeit Hytanicas liefern. Deshalb setzte er seine Schriftgelehrten darauf an, nach allem zu suchen, was ihm darüber Aufschluss geben konnte. Diese verbrachten ungezählte Stunden mit dem Studium obskurer uralter Texte. Schließlich stießen sie auf eine Legende –«
    »Die Legende von Narian«, unterbrach ich sie, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie mir davon keine Einzelheiten zu berichten brauchte. Sie nickte.
    »Wären noch ein paar Tage verstrichen, wäre die Prophezeiung nutzlos gewesen. Denn der blutende Mond war für das Ende eben jenes Monats vorhergesagt worden. Mein Bruder jubelte über diese glückliche Fügung und reagierte sofort, indem er auf der Suche nach dem richtigen Jungen all eure Neugeborenen entführte. Und wie immer, wenn er in die Schlacht zog, vertraute er mir vorher seinen Ring an, das Gegenstück zu dem, den ich trage.«
    Sie hob ihre Hand ein wenig, um mir den Königsring zu zeigen, den sie am Zeigefinger trug.
    »Ich fädelte ihn auf eine Halskette und machte mir keine weiteren Gedanken darüber, bis …«
    Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie sich zu mehr Bedachtsamkeit mahnen.
    »Nach einiger Zeit begann es London besser zu gehen. Eine einzige Dosis meiner Heilkraft ließ ihn schon einige Zeit überdauern, und mit diesen Fortschritten kehrte auch sein Bewusstsein zurück. Er war erschöpft und bis zu einem gewissen Grad noch nicht ganz bei sich, aber er bemerkte bereits meine Gegenwart und assoziierte sie, wie mir schien, mit Erleichterung. Tauchte ich auf, verschwand der Schmerz; ging ich, war es nur eine Frage der Zeit, bis er wiederkehrte.
    Ich wünschte mir seine Anerkennung für meine Wohltaten, hoffte, er würde sich vielleicht in meiner Schuld fühlen. So verbrachte ich mehr Zeit als nötig mit ihm und tat mehr als eigentlich erforderlich – meine Dienerinnen hätten ihm Gesellschaft leisten und ihn in meiner Abwesenheit durchaus versorgen können. Aber er faszinierte mich, weil er so anders war als die cokyrischen Männer, die ich kannte.«
    Die offensichtliche Anziehungskraft, die London auf sie ausgeübt hatte, erinnerte mich seltsamerweise an meine Zuneigung zu Narian. Allerdings gab es einen großen Unterschied: Narian hatte meine Gefühle erwidert. Allein aus den Blicken, die London der Hohepriesterin hier in der Höhle zugeworfen hatte, konnte ich schließen, dass sie kaum Platz in seinem Herzen einnahm.
    »Er verbrachte zehn Monate in Cokyri, und diese Zeit neigte sich dem Ende zu«, fuhr Nantilam fort. »Eines Tages erwachte er und wir sprachen zum ersten Mal miteinander, obwohl er meiner Meinung nach noch immer nicht ganz er selbst war. Schließlich kam ich ihm so nahe, dass ich die Beherrschung verlor – ich küsste ihn, und er erwiderte diesen Kuss. Dabei bemerkte ich nicht, wie er dabei die Kette mit dem Ring meines Bruders von meinem Hals streifte. Als er begann, erneut wegzudämmern, wandte ich mich ab und verließ ihn.
    Als ich nach wenigen Stunden nach ihm sehen wollte, war er verschwunden. Das Fenster stand offen, ein Pferd fehlte, und er war weg. Ich hatte seine Gerissenheit unterschätzt, denn er hatte sich bereits weit besser erholt, als mir oder meinen Dienerinnen aufgefallen war. Aus Nachlässigkeit hatte ich ihm so die Flucht ermöglicht. Er wusste genau, wie viel Zeit ihm bliebe, bis der Schmerz ihn wieder außer Gefecht setzen würde, und dass diese Zeitspanne gerade reichen würde, um auf schnellstem Wege nach Hytanica zu reiten. Im Gepäck hatte er viele Kenntnisse, die mein Bruder und ich Eurem Volk niemals preisgegeben hätten.«
    »Als er zurückkam, war er … krank«, sagte ich, unsicher, ob Krankheit der richtige Ausdruck dafür war. »Lag das an …?«
    »An unseren widerstreitenden Kräften, die immer noch in ihm wüteten. Eure Ärzte waren machtlos dagegen gewesen – die Symptome für sie unverständlich. Es dauerte lange, bis ich erfuhr, dass London überlebt hatte. Ich hatte Angst um ihn, aber meine Magie muss zum Zeitpunkt seiner Flucht größer gewesen sein als die meines Bruders. Und es muss an den glimmenden Resten meiner Macht liegen, dass er unter Trimions Hand nicht schneller stirbt – er scheint sich gegen jede Wahrscheinlichkeit zu regenerieren und Kräften tagelang standzuhalten, die ihn eigentlich innerhalb von Minuten töten sollten. Weil meine Magie ihn gewissermaßen erhält, ist er in den letzten achtzehn Jahren auch nicht gealtert.

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