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Alera 02 - Zeit der Rache

Alera 02 - Zeit der Rache

Titel: Alera 02 - Zeit der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cayla Kluver
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hatte, siegte seine Engstirnigkeit über seine Vernunft. Er weigerte sich, mit meiner Mutter zu verhandeln, und seine Respektlosigkeit ließ meiner Mutter keine andere Wahl, als sein Leben zu beenden und das Abkommen zurückzuweisen.
    Natürlich war der hytanische König nicht erbaut, als er vom Tod seines Sohnes erfuhr. In seinen Augen hatte meine Mutter einen skrupellosen Mord begangen. Doch unsere Truppen waren so stark, dass wir den darauf folgenden Angriff der Hytanier abwehren konnten.
    Als mein Bruder und ich fünfzehn Jahre alt waren, übernahmen wir die Ämter von Overlord und Hohepriesterin. Mein Bruder wurde im Lauf der Zeit immer aufgebrachter, weil es nicht gelingen wollte, Euer Volk zu besiegen. Es gab keine logische Erklärung dafür, warum uns der Erfolg verwehrt blieb, und so kämpften wir fast hundert Jahre lang vergeblich. Meine Kräfte des Lebens und der Heilung sorgten dafür, dass wir beide jung und gesund blieben. Versuche nicht, das zu begreifen. Zeit vergeht mitunter in ganz unterschiedlichen Dimensionen. Obwohl wir also bereits fast hundert Jahre alt waren, wirkten wir äußerlich immer noch so wie in unseren Zwanzigern.«
    Sie schwieg einen Augenblick lang gedankenverloren, und ich spürte, dass sie gleich etwas immens Wichtiges preisgeben würde. Einen Teil der Geschichte, die sie soeben erzählt hatte, kannte ich bereits, weil Narian mir vor mehr als einem Jahr berichtet hatte, wie es eigentlich zum Kriegsausbruch gekommen war. Was er mir jedoch nicht gesagt hatte, war, dass die Hohepriesterin und der Overlord greisenhaft alt waren, worauf ich von selbst natürlich niemals gekommen wäre. Nantilam riss mich aus meinen Überlegungen, als sie mit ihrer Geschichte fortfuhr.
    »Viele Jahre später fand eine große Schlacht statt, bei der die Cokyrier den Hytaniern zahlenmäßig weit überlegen waren. Euer Volk trat den Rückzug an und ließ seine Toten zurück. Als unsere Soldaten die Leichen ihrer Kameraden einsammelten, lenkte mein Bruder sein Pferd an die Stelle, an der er einen bestimmten Hytanier hatte fallen sehen. Es war ein hochrangiger Offizier, der auch den Befehl zum Rückzug gegeben hatte. Nachdem er gesehen hatte, wie dieser Hytanier tapfer noch auf seinen letzten Mann gewartet hatte, kamen ihm erneut Fragen in den Sinn, die jahrelang in seinem Bewusstsein geschlummert hatten: Was war das Geheimnis der hytanischen Stärke? Warum vermochte er sie nicht zu schlagen, wo doch alle Zeichen zu seinen Gunsten standen?
    Er fand den jugendlichen Offizier auf der Seite liegend. Aus seiner klaffenden Bauchwunde rann unablässig Blut, und das ungewöhnliche, silberfarbene Haar hing ihm in sein blasses Gesicht. Mein Bruder sah, wie der Mann sich vor Schmerzen krümmte. Als seine Soldaten ihm meldeten, alle Toten seien eingesammelt und man warte nur noch auf seinen Befehl zum Abzug, da hob mein Bruder den Verwundeten auf und beschloss, ihn mit nach Cokyri zu nehmen.«
    Sie berichtete mir, als würde sie nur ein Märchen erzählen und jede Einzelheit neu erfinden, um eine besondere Wirkung zu erzielen. Doch aus ihrer Stimme hörte ich Bedauern und Zweifel heraus, was für mich der Beweis war, dass es sich um keine erfundene Geschichte handelte. Als mir klar wurde, wer der junge Soldat gewesen sein musste, da begriff ich auch, dass sie über diese Begegnung wohl lange nachgedacht hatte.
    »Er war stark«, fuhr die Hohepriesterin fort. »Ich heilte ihn, nachdem mein Bruder ihn zu mir gebracht hatte, und schon am nächsten Tag begann Trimion, ihn zu verhören. Als Erstes fragte er ihn nach seinem Namen.
    Seine Hände waren vor dem Körper gefesselt und er kniete in der Halle meines Bruders auf dem Steinboden. Doch der junge Offizier antwortete nicht, und so streckte mein Bruder einen Arm aus und deutete mit seinen Fingern drohend auf seine Beute. Der Mann stürzte vornüber, fing sich jedoch mit den Unterarmen ab, während sein ganzer Körper vor Schmerz zuckte. Zwischen den Schreien kam ein Flüstern über seine Lippen. ›London‹, stöhnte er. ›Mein Name ist London.‹«
    Die Hohepriesterin suchte meine Augen, die ich vor Trauer und Zorn weit aufgerissen hatte. Ich fürchtete mich vor den dunklen Geheimnissen, die sie mit ihren nächsten Worten enthüllen mochte. All das, was London niemals jemandem anvertraut hatte, nicht einmal Destari, all seine Erlebnisse in Cokyri waren im Kopf dieser Frau und kamen hier und jetzt über ihre Lippen. Konnte ich es ertragen, mir anzuhören, welche

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