Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
je von einer Leisha Tanner gehört?«
Sie wollte verneinen und überlegte es sich dann anders. »Ja«, sagte sie schon freundlicher. »Er hat sie ein paarmal erwähnt.«
»Was hat er über sie gesagt?«
»Daß er versuchen würde, etwas über sie herauszufinden. Sie ist irgendeine historische Gestalt.« Der Ozean kauerte sich vor uns wie ein dunkles Tier zusammen. »Er ist ein seltsamer Vogel. Ich fühle mich manchmal in seiner Nähe nicht ganz wohl.«
»Wie hast du ihn kennengelernt?«
»Ich erinnere mich nicht mehr. Auf einer Party, glaube ich. Warum? Warum willst du das wissen?«
»Nur so«, sagte ich.
Das lockte ein hübsches, trauriges Lächeln hervor. Und dann überraschte sie mich: »Ich meine, was liegt dir an Scott?«
Ich erzählte ihr meine Tarngeschichte, und sie sagte, es täte ihr leid, daß ich ihn verpaßt hätte. »Wenn ich ihn wiedersehe«, fuhr sie fort, »sage ich ihm, daß du hier warst.«
Wir tranken noch etwas und spazierten weiter. Der Abend hatte so etwas an sich, und ich war mir ihrer Hüften bewußt, als wir über den Himmelsweg schlenderten. »Er ist sehr seltsam geworden«, sagte sie erneut. Diese Feststellung hatte sie im Verlauf des Abends schon mehrmals getroffen. »Du würdest ihn nicht mehr wiedererkennen.«
»Seit der Tenandrome ?«
»Ja.« Wir blieben stehen, und sie lehnte sich gegen das Gelände und sah aufs Meer hinaus. Sie wirkte verloren. Der Wind peitschte an ihrer Jacke, und sie zog sie eng um ihren Körper. »Es ist wunderschön hier draußen.« Fischschüssel hat keinen Trabanten, doch in klaren Nächten beherrscht die Verschleierte Dame den Himmel, die viel heller – und berauschender – ist als Rimways Vollmond. »Sie hat etwas mit zurückgebracht. Die Tenandrome. Hast du das gewußt?«
»Nein«, sagte ich.
»Niemand scheint zu wissen, was. Aber sie hatten etwas dabei. Niemand wollte darüber sprechen. Nicht einmal die McIras.«
»Der Kapitän?«
»Ja. Eine kaltblütige Hure, wenn ich je eine gesehen habe.« Ihr Blick wurde härter. »Sie kamen und waren schon wieder fort. Auf eine andere lange Mission. Die Crew war fast schon wieder verschwunden, bevor jemand mitbekam, daß sie überhaupt hier war.«
»Was ist mit dem Forschungsteam?«
»Die flogen nach Hause. Normalerweise fliegen sie immer nach Hause und kommen dann zur Einsatzbesprechung wieder hierher zurück. Diesmal aber nicht. Wir haben nie wieder einen von ihnen gesehen. Bis auf Hugh natürlich.«
Wir gingen weiter. Der ans Ufer grenzende Teil von Pellinor wirkte hell und einladend; seine betörenden Lichter trieben auf dem Wasser. »In gewisser Hinsicht kam er nie wirklich nach Hause. Zumindest nicht, um zu bleiben. Er ist immer irgendwo unterwegs. Wie jetzt auch.«
»Du hast gesagt, er besucht Schlachtstätten. Welche zum Beispiel?«
»Letztes Mal die Stadt auf der Klippe. Ilyanda. Randin’hal. Grand Salinas.«
Das war ein Namensaufruf der gefeierten Stätten des Widerstands.
Sie deutete meinen Gesichtsausdruck richtig. »Ja«, sagte sie. »Er ist wie besessen von den Sims. Ich weiß nicht, wonach, aber er sucht nach etwas. Nach Wochen oder Monaten der Abwesenheit kommt er nach Hause, bleibt ein paar Tage bei der Vermessung und ist dann schon wieder verschwunden. Früher war er nicht so.« Ihre Stimme zitterte. »Ich verstehe das nicht.«
Damit niemand denkt, ich hätte keinen ernsthaften Versuch unternommen, muß ich Ihnen sagen, daß ich es auch mit einem direkten Gesuch probiert habe. Am Ende, nachdem meine informellen Nachforschungen mich so weit gebracht hatten, wie sie es konnten, schritt ich durch die Vordertüren des Verwaltungsgebäudes, das sie Annex nennen, und bat um einen Termin beim Direktor für Sondereinsätze. Sein Name war Jemumba.
Ich wurde an eine Sekretärin verwiesen. Bitte reichen Sie eine Anfrage ein, wir melden uns dann bei Ihnen, vielleicht in einem halben Jahr.
Schließlich konnte ich zu einem seiner Speichellecker vordringen, der glattweg abstritt, daß etwas Ungewöhnliches vorgefallen sei. Ja, er habe die Gerüchte gehört, doch in dieser Branche gäbe es immer Gerüchte. Er könne mir jedoch eindeutig versichern, daß es dort draußen keine Außerirdischen gäbe, zumindest nicht auf den oder in der Nähe der Welten, die die Vermessung besucht habe. Auch die Behauptung, es habe auf der Tenandrome irgendwelche Unglücke irgendwelcher Art gegeben, sei einfach nicht wahr.
Er erklärte mir, die Zurückhaltung des Logbuchs und anderer Informationen über
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