Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
verabscheuen würde, wenn er sie berührte und sie spüren ließ, dass er erregt war.
Sarah richtete sich kerzengerade auf und wich vor ihm zurück, als stünde er in Flammen. »Sie widerlicher Dreckskerl«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Sie sind ein ausgemachter Sadist!«
Zitternd und in Tränen verließ Sarah sein Büro. Sie rannte stolpernd, wie die meisten Frauen mit hohen Absätzen. Shafer genoss das sadistische Vergnügen, die unschuldige Sarah nicht nur zu verletzen, sondern zu zerstören. Er prägte sich dieses überwältigende Bild für alle Zeiten ein. Er würde es immer wieder vor dem geistigen Auge ablaufen lassen.
Ja, er war ein Sadist. Ein ausgemachter Sadist – da hatte Sarah vollkommen Recht.
R osie, die Katze, hockte auf der Fensterbank und schaute zu, wie ich mich für die Verabredung mit Christine anzog. Ich beneidete sie um die Schlichtheit ihres Lebens: Ich fress so gern Mäuschen, ja Mäuschen fresse ich gern.
Schließlich ging ich nach unten. Ich hatte mir den Abend freigenommen und war so nervös und zappelig wie schon lange nicht mehr. Nana und die Kinder wussten, dass etwas in der Luft lag, aber nicht, was. Und das machte meine drei Lieblings-Quälgeister wahnsinnig.
»Daddy, sag mir, was los ist, bitte !« Jannie faltete die Hände wie zum Gebet und flehte mich an.
»Nein. Das habe ich dir schon gesagt. Und nein ist nein.
Nicht mal, wenn du auf deine kleinen knochigen Knie fällst«, sagte ich lächelnd. »Ich habe heute Abend eine Verabredung.
Mehr brauchst du nicht zu wissen, junge Dame.«
»Mit Christine?«, fragte Jannie. » So viel kannst du mir wenigstens verraten.«
»Das geht nur mich etwas an«, erklärte ich und band mir die Krawatte vor dem Spiegel neben der Treppe. »Und dich hat das nicht zu interessieren, du Naseweis.«
»Du trägst den schicken blau gestreiften Anzug, deine schikken Tanzschuhe und die schicke Krawatte, die du so magst. Du bist superschick.«
»Sehe ich gut genug aus für meine Verabredung?«, fragte ich meine persönliche Modeberaterin und drehte mich um.
»Du siehst klasse aus, Daddy.« Mein kleines Mädchen strahlte. Ich wusste, ich konnte ihr glauben. Ihre Augen glänzten wie kleine Spiegel, in denen stets die Wahrheit zu lesen stand. »Das weißt du aber selbst ganz genau. Du weißt, du bist so schön wie die Sünde.«
»Genau, mein Schatz«, sagte ich und lachte. Schön wie die Sünde. Das hatte sie zweifellos von Nana.
Damon äffte seine Schwester nach. »Du siehst wunderschön aus, Daddy! – Wieso schmierst du ihm Honig um den Bart, Jannie? Was willst du von ihm?«
»Sehe ich denn nicht gut aus?«, fragte ich Damon.
Er verdrehte die Augen. »Na ja, ist ganz in Ordnung. Warum hast du dich denn so rausgeputzt? Mir kannst du’s doch verraten. Von Mann zu Mann. Was ist das denn für eine besondere Gelegenheit?«
»Antworte den armen Kindern!«, sagte Nana schließlich.
Ich blickte sie an und grinste übers ganze Gesicht. »Komm mir nicht mit ›arme Kinder‹, um deine Klatschquote des Tages voll zu machen. So, und jetzt muss ich los«, erklärte ich. »Vor Sonnenaufgang bin ich zurück. Muuu-hahaaa! « Ich machte mein Lieblings-Monster nach, und die drei verdrehten die Augen.
Es war ungefähr eine Minute vor acht, als ich auf die Veranda trat. Eine riesige schwarze Lincoln-Limousine fuhr vor dem Haus vor. Ganz pünktlich. Ich wollte auch keinesfalls zu spät kommen.
»Eine Limousine mit Chauffeur!«, staunte Jannie und wäre fast in Ohnmacht gefallen. »Du fährst mit einer Limousine mit Chauffeur zu deiner Verabredung?«
»Alex Cross!«, sagte Nana. »Was ist bloß los?«
Ich tanzte förmlich die Stufen hinunter. Dann stieg ich in den wartenden Wagen, schloss die Tür und sagte dem Chauffeur, er solle losfahren. Ich winkte durch die Rückscheibe und steckte die Zunge heraus, als der Wagen wie Samt davonglitt und unser Haus hinter mir zurückblieb.
M ein letzter Blick auf die drei – Jannie, Damon und Nana – -zeigte mir, wie sie Grimassen schnitten und mir die Zunge herausstreckten. Wir haben wirklich herrliche gemeinsame Zeiten, dachte ich, als der Wagen hinüber ins Prince George County fuhr, wo ich einst in den friedlichen Tagen der Jack-und-Jill-Metzeleien einen mordlustigen Zwölfjährigen gestellt hatte und wo Christine Johnson wohnte.
Ich hatte mein Mantra für diesen Abend einstudiert: Das Herz leitet den Kopf. Ich musste glauben, dass dem so war.
»Eine Limousine?«, rief Christine, als ich
Weitere Kostenlose Bücher