Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
Aktenkoffer wirkte er wie ein Geschäftsmann, der spät nach Hause kam.
Zwei afroamerikanische Polizisten klapperten die Wohnungen der Uhland Terrace ab. Das war nicht gut – die Polizisten waren weniger als fünf Querstraßen vom Versteck entfernt.
Warum waren sie hier? In Shafers Kopf drehte sich alles. Adrenalin rauschte durch sein Nervensystem wie eine Flutwelle.
Möglich, dass alles nichts mit ihm zu tun hatte, aber er konnte nicht vorsichtig genug sein. Er verdächtigte die anderen Spieler, besonders George Bayer. Aber weshalb? Wollten sie das Spiel auf diese Weise beenden? Indem sie ihn fertig machten?
Als die beiden Polizisten in einer Seitenstraße der Uhland verschwanden, blieb Shafer vor einem braunen Backsteinhaus stehen, vor dem die Cops Fragen gestellt hatten. Es war ein bisschen riskant, aber er musste wissen, was los war. Zwei alte Männer saßen auf der Vordertreppe. In einem uralten Radio wurde ein Baseballspiel der Orioles übertragen.
»Gab es Ärger in der Gegend, oder weshalb waren die Cops hier?«, fragte Shafer in so zwanglosem Tonfall, wie es ihm möglich war. »Mich haben sie weiter oben an der Straße angehalten.«
Einer der Alten blickte ihn nur an – ein offensichtlich von Natur aus mürrischer Bursche. Der andere aber nickte. »Ja, Mister. Die suchen nach ‘nem Taxi, lilablau. Im Zusammenhang mit irgendwelchen Morden, haben sie gesagt. Aber in letzter Zeit hab ich keine lilablauen Taxis gesehen. Früher gab’s mal ein Taxiunternehmen, hieß Vanity. Weißt du noch, Earle? Die hatten lila Autos.«
»Das war vor Urzeiten«, sagte der andere Mann und nickte.
»Die sind pleite gegangen.«
»Ich schätze, es waren Metro-Polizisten. Haben mir aber keine Ausweise gezeigt«, sagte Shafer und zuckte mit den Schultern. Er bemühte sich, mit amerikanischem Akzent zu sprechen, den er hervorragend nachahmen konnte.
»Das waren Detectives. Cross und Sampson.« Der gesprächsbereitere der beiden alten Männer teilte ihm die Namen mit. »Detective Cross hat mir seine Marke gezeigt. Die war echt, ehrlich.«
»Ja, da bin ich sicher«, sagte Shafer und nickte den beiden Alten zu. »Schlimm, wenn die Polizei sich auch schon in dieser Gegend sehen lässt.«
»Da haben Sie Recht.«
»Einen schönen Abend noch.«
»Danke. Ihnen auch.«
Shafer schlug einen Bogen zurück zum Jaguar und fuhr zur Botschaft. Er ging direkt ins Büro, wo er sich beschützt und sicher fühlte. Wieder ruhiger geworden, schaltete er den Computer ein und nahm die Washingtoner Detectives namens Cross und Sampson genau unter die Lupe. Er fand mehr, als er gehofft hatte, vor allem über Cross.
Dann dachte er darüber nach, wie diese neue Entwicklung das Spiel verändern konnte. Er schickte eine Nachricht an die anderen Reiter und berichtete von Cross und Sampson. Er fügte hinzu, dass die Detectives sich entschieden hätten, »am Spiel teilzunehmen«. Daher habe er für sie natürlich ebenfalls Pläne.
Z achary Scott Taylor ist ein gründlicher, analytischer und hartgesottener Reporter bei der »Washington Post«. Er hat meinen höchsten Respekt. Seinen gnadenlosen Zynismus und Skeptizismus kann ich allerdings nicht jeden Tag vertragen, sonst wären wir vielleicht noch enger befreundet. Doch wir haben eine sehr gute Beziehung, und ich traue Zachary mehr als den meisten anderen Journalisten.
An jenem Abend traf ich ihn im Irish Times an der F Street, in der Nähe der Union Station. Das Restaurant mit Bar ist ein Anachronismus: Einsam und allein steht der Backsteinbau zwischen modernen Bürogebäuden. Zachary nennt die Bar »einen verkommenen Schuppen, gemütlich wie ein Klo, der perfekte Treffpunkt«.
In der altehrwürdigen Tradition Washingtons war ich gelegentlich eine von Zacharys »zuverlässigen Quellen«. Und jetzt wollte ich ihm etwas Wichtiges erzählen und hoffte, er würde sich einverstanden erklären und seine Redakteure bei der Post von der Story überzeugen.
»Wie geht’s Master Damon und Miss Jannie?«, fragte Zachary, nachdem er mir gegenüber in einer schummrigen Ecke unter einem alten Foto eines ernst dreinschauenden Mannes mit Zylinder Platz genommen hatte. Zachary ist groß, hager und ähnelt ein wenig dem Mann auf dem alten Foto. Er spricht immer so schnell, dass die Wörter ineinander übergehen: Wie-geht’sMasterDamonundMissJannie? In seiner Stimme liegt nur ein Hauch des weichen Akzents Virginias.
Schließlich kam die Kellnerin an unseren Tisch. Zachary bestellte schwarzen Kaffee. Ich
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