Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
waren mit den Kindern auf der Veranda. Sampson war mit einer Freundin da, die Millie hieß, eine Anwältin bei der Justizbehörde.
Einige Leute winkten mir, als das Taxi hielt, und mir fiel ein Stein vom Herzen. Wenigstens wusste ich jetzt, dass alles in Ordnung war. Kein weiterer Ärger. Aber was war los?
Ich sah meine Nichte Naomi und ihren Mann, Seth Taylor, die den weiten Weg von Durham, North Carolina, gekommen waren. Jerome Thurman, Rakeem Powell und Shawn Moore standen auf dem Rasen vor dem Haus.
»Mann, Alex! Schön, dich zu sehen«, schlug mir Jeromes tiefe Stimme ans Ohr, als ich auf dem Weg zur Veranda an ihm vorüberging. Schließlich stellte ich die Reisetasche ab, schüttelte Hände und wurde von allen Seiten auf den Rücken geklopft und geküsst.
»Wir alle sind für dich gekommen«, sagte Naomi und umarmte mich zärtlich. »Wir lieben dich sehr. Aber wir gehen, wenn du uns jetzt nicht hier haben willst.«
»Nein, nein, ich bin froh, dass ihr hier seid, Scootchie«, sagte ich und küsste meine Nichte auf beide Wangen. Vor einiger Zeit war sie in Durham, North Carolina, entführt worden.
Sampson und ich waren wegen ihr dort gewesen. »Es ist schön, dass du mit Seth hier bist. Ich freue mich, euch alle zu sehen.
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie gut das tut.«
Ich umarmte Freunde und Verwandte, meine Großmutter und meine beiden wunderbaren Kinder. Mir wurde klar, was für ein Glück ich hatte, so viele gute Menschen in meinem Leben zu haben. Zwei Lehrerinnen von der Sojourner Truth School waren ebenfalls da. Sie waren Freundinnen von Christine und brachen in Tränen aus, als sie zu mir kamen. Sie wollten wissen, ob wir schon weitergekommen seien und ob sie etwas tun könnten.
Ich erklärte ihnen, dass wir einen Augenzeugen der Entführung aufgetrieben hätten und deshalb viel hoffnungsvoller seien als zuvor. Die Lehrerinnen reagierten überglücklich auf diese Nachricht, die keineswegs so hoffnungsvoll war, wie ich sie dargestellt hatte, denn aus der Aussage des Augenzeugen hatte sich nichts Weiteres ergeben. Niemand außer ihm hatte den weißen Lieferwagen gesehen, mit dem Christine entführt worden war.
Jannie erwischte mich gegen neun Uhr abends im Garten hinter dem Haus. Ich hatte gerade eine halbe Stunde im Keller verbracht und mit Damon geredet, von Mann zu Mann, und dabei etwas Schattenboxen gemacht.
Damon hatte mir gestanden, er könne sich nur mit Mühe an Christines Gesicht erinnern und daran, wie sie ausgesehen hatte. Ich erklärte ihm, dass so etwas oft vorkäme und dass es in Ordnung sei. Dann hielten wir uns lange umschlungen.
Jannie hatte geduldig gewartet, um mit mir zu reden.
»Hast du jetzt Zeit für mich?«, fragte sie.
»Aber ja, Schätzchen.«
Jannie nahm meine Hand und zog mich ins Haus. Schweigend führte sie mich nach oben – nicht in ihr Zimmer, sondern in meins.
»Wenn du dich nachts einsam fühlst, kannst du in mein Zimmer kommen. Das meine ich ernst «, sagte sie und machte leise die Tür hinter uns zu. Sie ist sehr klug und sieht viele Dinge genau richtig. Sie und Damon sind wundervolle Kinder.
Nana sagt, sie hätten »einen gesunden Charakter«, der sich -»prächtig entwickle«. So weit, so gut.
»Danke dir, Kleines. Wenn es hier zu schlimm wird, komme ich in dein Zimmer. Du bist sehr lieb.«
»Ich weiß, Daddy. Du hast mir ja geholfen, so zu werden, und ich bin froh darüber.« Sie zögerte kurz. »Ich habe eine sehr ernste Frage, Dad. Es ist schlimm, aber ich muss dich einfach fragen.«
»Nur zu«, sagte ich und fühlte mich unbehaglich unter ihrem ernsten Blick. Ich war immer noch verwirrt und verängstigt und wusste nicht, ob ich Jannies Frage ertragen würde. »Lass hören, Liebes«, sagte ich.
Sie ließ meine Hand los, nahm sie aber gleich wieder. Mit ihren kleinen Fingern hielt sie meine Pranke ganz fest.
»Ist Christine tot, Daddy?«, fragte sie. »Du kannst es mir sagen, wenn es so ist. Aber, bitte, sag mir die Wahrheit. Ich will es wissen.«
Beinahe hätte ich die Fassung verloren, als ich mit Jannie auf der Bettkante saß. Ich bin sicher, dass sie keine Ahnung hatte, wie sehr ihre Frage mich schmerzte und wie schwierig es war, ihr zu antworten.
Ich hing über dem Rand eines schwarzen Abgrunds, nur noch an einem Haar, aber ich riss mich zusammen und holte tief Luft. Dann bemühte ich mich, die Frage meines kleinen Mädchens so ehrlich wie möglich zu beantworten.
»Ich weiß es nicht. Das ist die Wahrheit. Wir hoffen immer noch,
Weitere Kostenlose Bücher