Alex Cross - Cold
nach Vorschrift.
Noch bevor Mahoney das Zimmer betreten hatte, sah er, wie die Badezimmertür im hinteren Teil des ansonsten leeren Raums ins Schloss fiel. Er lief darauf zu. Samuels war direkt hinter ihm.
Totten und Behrenberg schwärmten aus, suchten unter den Betten, im Schrank, in dem Gepäckhaufen in der Ecke. Eine Wäscheleine mit weißer Wäsche war quer durch den Erker gespannt. Diese Leute wohnten schon eine ganze Weile hier.
Mahoneys Stiefelabsatz genügte, um das billige Schloss der Badezimmertür zu sprengen. Die Tür flog auf, und da saßen sie, alle vier.
Es sah verdammt nach FAMILIE aus... Mutter, Vater, zwei Jungen im Teenageralter. Die Eltern hatten sich schützend vor die Kinder geschoben, die sich in die Wanne duckten.
Allen vieren lief eine dünne Blutspur über das Kinn. Ach du großer Gott!
»Hände her! Zeigt mir eure Hände!«, brüllte Mahoney und fuchtelte ihnen mit seiner MP-5 vor dem Gesicht herum. Samuels wiederholte den Befehl auf Arabisch, aber sie machten keinerlei Anstalten zu reagieren. Sie klammerten sich aneinander und sahen sich aus großen dunklen Augen an. In ihrem Blick lag keine Angst. Diese Menschen waren bereit zu sterben.
»Zentrale, hier Team Rot. Wir haben die vier Verdächtigen im Badezimmer gestellt. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube, sie haben soeben Giftkapseln geschluckt. Wahrscheinlich Zyanid. Erbitte sofortige medizinische Unterstützung.«
»Wir brauchen diese Leute lebendig«, ließ sich der Einsatzleiter vernehmen.
Ach, echt?, dachte Mahoney. Die ganze Aktion war nur so viel wert, wie sie an neuen Erkenntnissen brachte. Er winkte Samuels weiter ins Badezimmer. »Sieh mal nach, wie es ihnen geht.«
Die Mutter und einer der Jungen wurden als Erste von Krämpfen geschüttelt. Als Samuels versuchte, zu ihnen zu kommen, warfen die anderen beiden sich ihm in den Weg. Alle vier keuchten schwer, als würden sie nur noch durch winzige Strohhalme Luft bekommen.
»Wo bleiben denn die Notärzte, verdammt noch mal?«, blaffte Mahoney in sein Funkgerät.
Doch da meldete sich Totten aus dem Nebenzimmer.
»Einen Moment mal, Chef«, sagte er. »Ich glaube, wir haben ganz andere Probleme.«
Mahoney drehte sich um und sah Totten flach auf dem Bauch liegen und unter eines der Betten schauen.
»Hier unten liegt was. Sieht aus wie ein grauer Backstein«, sagte er. »Mit Drähten. Ich glaube, wir sollten verschwinden, und zwar pronto!«
Mahoney zögerte keine Sekunde. »Totten, Behrenberg! Raus hier, sofort! Samuels, du schnappst dir einen von denen da. Den, der am ehesten durchkommt.«
Samuels griff nach einem der Jungen. Die Mutter streckte ihre Hand aus und versperrte ihm den Weg. Sie lächelte. Die hellen kirschroten Flecken auf ihren Zähnen stammten von dem mit Sauerstoff angereicherten Blut. In ihrer Faust befand sich ein kleiner, zylinderförmiger Zünder.
»O mein Gott...«
Mahoney handelte instinktiv. Er schob Samuels noch weiter ins Badezimmer und warf die Tür hinter sich ins Schloss genau in dem Moment, als die Ladung hochging.
Die Tür flog sofort wieder aus der Verankerung, mitsamt den Scharnieren, und warf die beiden Agenten zu Boden.
Der enge Raum ließ keine andere Möglichkeit zu, als dass sie in einem Gewirr aus Leibern auf der Familie landeten. Gips fiel von der Decke. Ein langer Riss bildete sich in der Wand, und aus dem Anschluss für den Duschkopf schoss das Wasser.
Mühsam rappelte Mahoney sich auf. Das Schlafzimmer stand in Flammen.
Totten und Behrenberg waren nirgendwo zu sehen.
Hoffentlich hatten sie es noch rechtzeitig nach draußen geschafft. Die Explosion hatte die gesamte Vorderfront des Zimmers mit dem Panoramafenster in Stücke gerissen.
»Los, los, los!« Er zog Samuels nach oben und stieß ihn zur Tür hinaus.
Mit einem schnellen Blick stellte er fest, dass nur einer der vier Verdächtigen sich noch bewegte. Der Junge, den Samuels vor wenigen Sekunden noch versucht hatte, nach draußen zu zerren. Seine Augen waren fast ganz geschlossen und sein Gesicht violett angelaufen. Mahoney schob ihm die Hände unter die Achseln und fing an, ihn aus dem Zimmer zu schleppen.
Im Schlafzimmer schlug ihm eine enorme Hitze entgegen. Er spürte, wie seine ungeschützten Hautstellen kribbelten, während er den Jungen durch das Zimmer zog und sich dabei so tief wie möglich duckte. Er kam unendlich langsam voran.
Zu langsam. Plötzlich spuckte der Junge Blut und verkrampfte sich noch ein letztes, heftiges Mal. Dann
Weitere Kostenlose Bücher