Alex Cross - Cold
diesem Augenblick war ihr alles recht, was sie von der deprimierenden Nachricht in Bezug auf O’Shea ablenken konnte.
»Wissen Sie, ob Zoe an diesem Morgen ihr Handy mit in die Schule genommen hat?«
»Ihr Handy?«
»Unter den Schülern laufen ein paar Gerüchte um, im Zusammenhang mit einer SMS aus dem letzten Jahr. Da geht es auch um Zoe. Ich frage mich einfach, ob...«
»Zoe hat gar kein Handy«, sagte Mrs. Coyle. »Zumindest nicht, soweit ich weiß. Selbst, wenn der Secret Service das zulassen würde, aber ihr Vater und ich sind strikt dagegen. Und Sie können mir glauben, es hat heftige Kämpfe deswegen gegeben.«
Alles, was ich am heutigen Tag gehört hatte, ratterte mir durch den Kopf. Alles, was ich über Ethan und Zoe erfahren hatte, von Anfang an.
»Ist es vielleicht denkbar, dass sie sich auf eigene Faust ein Handy besorgt hat? Heimlich?«, wollte ich wissen.
»Aber natürlich. Wir sprechen ja schließlich über Zoe«, erwiderte sie. »Sie weiß genau, wie sie bekommt, was sie will. Ich will ganz offen zu Ihnen sein: Die Leute sagen immer, wie intelligent und außergewöhnlich Ethan ist, aber wenn Sie mich fragen, dann ist meine Tochter diejenige, der eine große Zukunft als Politikerin bevorsteht.«
Das war ein Wort, das mir in der jetzigen Situation ausgesprochen gut gefiel. Zukunft. Ein gutes Wort. Das sollten wir unbedingt im Gedächtnis behalten.
»Ich gehe davon aus, dass Sie sich darum kümmern werden«, sagte Mrs. Coyle.
»Auf jeden Fall. Ich bin schon dabei.«
70
Um 23.15 Uhr an diesem Samstagabend verließ Ned Mahoney zusammen mit einem Team aus handverlesenen Agenten der Geiselbefreiungseinheit in einem zivilen FBI-Transporter den Heliport im dritten Bezirk des Metropolitan Police Department. Mahoney führte seine Aktionen eigentlich lieber bei Tag durch, allerhöchstens in Ausnahmefällen auch einmal im Morgengrauen. Aber in diesem Fall gab es keine andere Möglichkeit entweder jetzt oder nie.
Neunzig Minuten zuvor war der Marschbefehl in Quantico eingetroffen. Vier Verdächtige sollten festgenommen werden, alle Saudis, die sich momentan in einem Motel südlich von Silver Spring, Maryland, aufhielten. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um Al-Ayla-Mitglieder, aber davon stand nichts in dem Fax, das Mahoney empfangen hatte.
Er saß auf dem Beifahrersitz und studierte den Grundriss des Motels, während sie durch die Stadt rasten.
Das Motelzimmer mit der Nummer 122 war nichts Besonderes; geräumiges Schlafzimmer, Erker, Kleiderschrank, Badezimmer. Es gab nur eine Eingangstür, die direkt vom Parkplatz aus zugänglich war. Das FBl-Team war nicht groß, es bestand nur aus vier Agenten.
»Zentrale, hier Team Rot. Wir sind auf der Sechzehnten in nördlicher Richtung unterwegs«, gab Mahoney per Funk an die Einsatzzentrale durch, die sich bei einem ehemaligen Taxifunk wenige Querstraßen von ihrem Ziel entfernt einquartiert hatte. »Was sagen denn eure Kameras?«
»Hier ist alles klar«, erwiderte der Einsatzleiter. »Sieht so aus, als hätten sich alle in ihre Bettchen gekuschelt.«
Die Vorhut hatte bereits dafür gesorgt, dass die Gäste aus den Nachbarzimmern still und leise ihr Quartier verlassen hatten. Eine Spezialeinheit hatte die gesamte Umgebung besetzt und unter anderem drei Scharfschützenteams auf diversen Dächern rund um das Motel postiert. Das MPD und etliche Notarztwagen waren in Alarmbereitschaft.
Die Geiselbefreier würden als Erste reingehen, wie immer.
Kaum war der Lieferwagen in Sicht, klappte Mahoney seine Schutzbrille nach unten. Er streckte den drei Agenten auf der Rückbank den gereckten Daumen entgegen, und sie erwiderten seine Geste. Samuels, Totten und Behrenberg waren startklar. Sie trugen alle eine komplette Ausrüstung; schwarze, feuerfeste Overalls, Kampfwesten mit zahlreichen Taschen, Kevlar-Helme und Maschinenpistolen. Schwere Ausrüstung, die sich hinderlich auf Geschmeidigkeit und Schnelligkeit auswirkte, aber das Adrenalin würde diesen Nachteil mehr als wettmachen.
Noch bevor der Wagen stand, waren die Türen offen und die Männer draußen. In einer Reihe, dicht hintereinander, rannten sie auf Zimmer 122 zu.
»Hier Team Rot«, gab Mahoney durch. »Wir gehen jetzt rein!«
Es musste einfach Al Ayla sein.
71
»FBI! Machen Sie die Tür auf!«, rief Mahoney.
Gleichzeitig ließ ein zwanzig Kilogramm schwerer Rammbock die Motelzimmertür mit einem einzigen Stoß bersten. Sie hatten angeklopft und sich zu erkennen gegeben, ganz
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