Alex Cross - Cold
Klumpen in meiner Brust halb Angst, halb Adrenalin.
Wenn ich Ned richtig verstanden hatte, hatte er etwas angedeutet, wogegen ich mich bis jetzt immer gewehrt habe, dann war es bei seinen Worten um eine Grenze gegangen, die ich noch nie überschritten habe. Aber vielleicht nur deshalb, weil ich noch nie dazu gezwungen war.
Was, wenn dies hier die eine Nacht, die eine Stunde, Minute war, die für Ethan und Zoe entscheidend war? Könnte ich damit leben? Und wenn es meine eigenen Kinder wären? Oder Ava, nur als Beispiel? Würde ich dann noch hier liegen und mich fragen, was ich tun sollte?
Natürlich nicht. Auf seltsam verdrehte Weise verschaffte mein Streit mit Nana mir in diesem Punkt Klarheit. Ich würde fast alles tun, um diese Kinder zu retten.
Um kurz nach Mitternacht hatte ich schließlich lange genug an die Decke gestarrt. Ich setzte mich auf. Es gibt zwei Dinge, die ich auch bei Dunkelheit jederzeit finde, mein Handy und meine Glock. Ich nahm das Handy. Wählte Sampsons Nummer.
»Hallo?«, sagte er mit schlaftrunkener Stimme. »Alex?«
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, sagte ich. »Aber ich muss mit dir reden, John. Um ehrlich zu sein, ich brauche deine Hilfe.«
»Kein Problem, Schätzchen.«
»Setz mal einen Kaffee auf, ich komme zu dir.«
»Bis gleich.«
Ich schlüpfte hastig in meine Kleider, spritzte mir ein bisschen Wasser ins Gesicht und verließ das Haus.
Unterwegs rief ich noch Ned Mahoney an.
Er meldete sich beim ersten Klingeln. »Hab mir schon gedacht, dass du anrufst«, sagte er.
98
Ich erzählte Sampson, was ich vorhatte, und er war schon nach den ersten Sätzen mit im Boot. Ich konnte ihn nicht direkt fragen, darum bot er von sich aus seine Hilfe an. Und ich war verzweifelt genug, sein Angebot anzunehmen, John ist 2,06 Meter groß, und auf seine Oberarme wäre jeder Football Spieler neidisch gewesen. Außerdem besitzt er genau die Fähigkeiten, die ich gebrauchen konnte.
Und Ned Mahoney hatte das nötige Werkzeug. Als wir ihn auf dem Park-and-Ride-Parkplatz in North Fairlington einsammelten, trug er eine kleine Umhängetasche bei sich.
Mit seinen zwölf Jahren Erfahrung bei der Geiselbefreiung war Ned der Einbruchsexperte in unserem Team. Daher redete er auf der Fahrt fast ununterbrochen. Machte uns mit dem Plan vertraut. Ich fuhr den Wagen und hörte zu.
Gegen halb drei Uhr nachts standen wir vor der Hintertür von Rodney Glass’ Doppelhaushälfte in Alexandria. Die Einfahrt war zwar gut beleuchtet, aber der hintere Teil mit der Rasenfläche und dem Pool war dunkel.
Ich hielt die Taschenlampe, während Ned eine Lederhülle mit verschiedenen Dietrichen und Spannern ausrollte. Normalerweise ist ihm der Rammbock lieber, aber die behutsame, lautlose Methode beherrscht er auch.
Keine zehn Sekunden, nachdem er das erste Werkzeug in das Schloss für den Türriegel eingeführt hatte, machte es klick.
Das zweite Schloss ging sogar noch schneller.
Jetzt übernahm ich die Führung und trat ein. Im Erdgeschoss war es dunkel, kein Laut war zu hören. Wir blieben stehen und zogen uns die Sturmkappen über den Kopf. Ehrlich gesagt, ich hatte kein gutes Gefühl. Erst als ich Ned und John maskiert vor mir stehen sah, wurde mir richtig bewusst, was wir da vorhatten. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich es je so weit kommen lassen würde. Aber jetzt war es zu spät, um umzukehren.
Wollte ich auch gar nicht. Ich wollte diesen Kindern das Leben retten. Falls sie noch am Leben waren.
Dicht hintereinander gingen wir durch den Flur in den vorderen Teil des Hauses. Die Treppe war mit Teppich ausgelegt und daher kein Problem. Es dauerte nicht lange, dann standen wir vor Glass’ geöffneter Schlafzimmertür. Ich konnte sein Schnarchen hören und sah ihn im Bett liegen, auf dem Rücken, einen Arm quer über die Augen gelegt.
Ich bedeutete John, sich auf die eine Seite des Bettes zu stellen, während ich selbst auf die andere eilte. Mahoney blieb am Fußende stehen und hielt die erste Spritze schon einsatzbereit in der Hand.
Dann zählte ich mit den Fingern rückwärts.
Drei... zwei...
Schlagartig war Glass wach. Er wälzte sich auf mich zu und schob die Hand unter die Matratze, aber John war schon über ihm und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Ich steckte die Hand ebenfalls unter die Matratze und ertastete die Umrisse einer Pistole. Glass war ein begeisterter Jäger, das wusste ich. Er hatte mehrere Schusswaffen angemeldet. Ich ließ die Pistole, wo sie war.
Sobald
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