Alex Delaware 25 - Tödliche Lektion
was zu Stan sagen. Er war ein guter Kerl, bis er da reingeraten ist.«
»Wo reingeraten?«
»Unter die Anzugträger, die Weicheier und andere Dummschwätzer«, sagte Walkowicz. Er kniff den Mund zusammen. »Unter Leute, die ihre Kinder in so einen Laden schicken.«
Als wir zum Auto gingen, griff Milo in die blaue Tasche und holte das Jahrbuch der Windsor Prep vom letzten Jahr heraus.
Dreihundert Seiten mit Goldschnitt und einem Einband aus königsblauem Kalbsleder. Dazu Porträtaufnahmen von jedem Schüler, gestochen scharf und in voller Farbenpracht.
»Ganz schön teure Aufmachung«, sagte ich.
»Für die Vorzeigekinder ist das Beste gerade gut genug.« Er betrachtete ein paar Fotos. »Einige sehen sogar glücklich aus.«
Gilberto Chavez lag immer noch eingerollt am Boden seiner Zelle.
»War er die ganze Zeit so?«, fragte Milo den Uniformierten vom Dienst.
»Die meiste Zeit. Er hat einmal gepisst, aber wir haben es ihn wegputzen lassen. Hey, Dr. Delaware, wie kommt’s, dass die Gauner immer schlafen wie ein Baby?«
»Weil sie so gut wie oder gar kein Gewissen haben«, erwiderte ich.
»Schließen Sie die Tür von Rip Van Winkle auf«, sagte Milo.
Der Uniformierte öffnete die Zelle und ließ die Tür mit einem lauten Scheppern anschlagen. Chavez regte sich, wachte aber nicht auf. Als Milo seinen Namen rief, öffnete er kurz die Augen und kniff sie wieder zu.
Milo stupste ihn mit der Fußspitze an der Schulter. »Aufstehen. Sofort.«
Chavez ächzte, stützte sich mühsam auf die Ellbogen und gehorchte schließlich betont langsam. Milo packte ihn unter der Schulter, stemmte ihn hoch und schob ihn zur Kante der Sitzbank. Er schlug das Jahrbuch auf, blätterte zu den Erstsemestern und legte es auf Chavez’ Schoß.
»Schau sie dir an.«
»Ich hab nix gemacht.«
»Das weiß ich doch. Aber die beiden Mädchen, von denen du Gras gekriegt hast, waren an etwas Schlimmem beteiligt, und wenn du nicht den Kopf hinhalten und wegen Mordes hinter Gitter willst, solltest du mir lieber zeigen, wer sie sind.«
»Ich hab nix …«
»Zeig sie mir, Gilberto, und wir sind fertig. Wenn du nicht mitmachst, kommst du nie wieder hier raus.«
»Ich hab nix …«
»Halt die Schnauze«, sagte Milo leise. »Und fang jetzt endlich an.«
Siebzig Minuten später hatte sich Chavez jedes Foto dreimal angesehen.
Nach jeder Runde hatte er bedauernd den Kopf geschüttelt.
Er wollte Milo das Buch zurückgeben.
»Noch mal, Gilberto.«
»Ich sage die Wahrheit«, jammerte Chavez. »Sie sind nicht hier drin.«
»Brauchst du eine Brille, Gilberto?«
»Quatsch.«
»Versuch’s noch mal. Und lass dir Zeit.«
Eine vierte Runde, mit dem gleichen Ergebnis.
Chavez sah aus, als könnte er jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Ich will heim, aber sie sind nicht hier drin.«
»Lass uns über sie reden, Gilberto. Weshalb glaubst du, dass sie achtzehn waren?«
»Weiß nicht – fünfzehn waren sie jedenfalls nicht.«
»Woher weißt du das?«
»Sie hatten ein Auto.«
»Was für ein Auto?«
»Schwarzer Honda.« Allmählich erinnerte er sich an Dinge, die ihm entfallen waren.
»War an dem Honda irgendwas Besonderes?«
»Nein.«
Milo blätterte zur Abschlussklasse. »Das sind die Achtzehnjährigen. Schau sie dir noch mal an.«
»Mister, sie sind nicht hier drin. Das sind doch alles weiße Mädchen.«
»Die Mädchen, die Eis wollten, waren nicht weiß?«
»Eine war weiß, ja. Die andere war Mexikanerin.«
»Hat sie Spanisch mit dir gesprochen?«
»Englisch. Aber sie ist Mexikanerin.«
»Ein weißes Mädchen und eine Latina«, sagte Milo.
»Ja.«
»Als ich dich das erste Mal gefragt habe, wie sie ausgesehen haben, hast du gesagt, du kannst dich nicht erinnern.«
»Konnte ich auch nicht.«
»Und jetzt fällt dir plötzlich ein, dass die eine weiß war und die andere eine Latina.«
Chavez tippte sich seitlich an den Kopf und lächelte verträumt. »Ich wache langsam auf, wissen Sie?«
Milo nahm ihm das Jahrbuch weg, fasste es am Rücken und hob es hoch, als wollte er damit zuschlagen. »Du wirst jetzt sofort hellwach werden, Gilberto, und mir genau erzählen, wie sie ausgesehen haben.«
»Nett.«
»Hübsch?«
»Ja.«
»Wer ist gefahren.«
»Die Mexikanerin.«
»Warst du zu Fuß unterwegs, und sie haben neben dir angehalten?«
»Ja.«
»Was dann?«
»Die Weiße sagt: ›Hey, kannst du uns helfen?‹«
»Ein hübsches Mädchen.«
Chavez grinste und deutete mit den Händen riesige Brüste
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