Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
tun. Nach dem, was im Witwenpalast passiert ist, würde ich dich sehr ungern noch einmal ermorden müssen.«
»Ja. Letztes Mal war es nicht besonders lustig.«
»Das wäre mir wirklich unangenehm. Mr s Rothman erwartet große Dinge von dir. Ich hoffe, du enttäuschst sie nicht.«
Sie hatten inzwischen den kleinen Wald hinter sich gelassen und waren vor dem alten Kloster angekommen. Seine hohen Außenmauern machten einen äußerst verfallenen Eindruck. In der Wand war ein schweres Holztor mit einer kleineren Tür darin und daneben der einzige Hinweis darauf, dass das Gebäude vielleicht doch an die modernen Zeiten angepasst war: ein Tastenfeld mit eingebauter Videokamera. Nile tippte einen Code ein. Es summte, und die kleinere Tür schwang auf.
»Willkommen in der Schule!«, sagte Nile.
Alex zögerte. In wenigen Tagen begann in Brookland das neue Schuljahr. Und er? Er sollte jetzt eine ganz andere Schule besuchen. Aber es war zu spät für irgendwelche Zweifel. Er folgte endlich dem Weg, den sein Vater ihm vorgezeichnet hatte.
Nile wartete. Alex trat ein.
Er gelangte in einen rechteckigen Innenhof, der von einem Kreuzgang gesäumt war. Der Boden war mit Gras bewachsen, und an einem Ende standen zwei Zypressen nah beieinander. Der Kreuzgang lag im Schatten eines abgeschrägten roten Ziegeldachs. Das Ganze sah aus wie ein altmodischer Tennisplatz.
Fünf Männer in weißer Kleidung umringten einen Ausbilder, einen älteren Mann, der schwarz gekleidet war. Als Alex und Nile auf den Platz kamen, traten sie alle einen Schritt vor, reckten die Fäuste und stießen den Kiai-Schrei aus, den Alex vom Karate kannte.
»Beim lautlosen Töten darf man den Schrei natürlich nicht benutzen«, sagte der Ausbilder. Er sprach mit russischem oder osteuropäischem Akzent. »Aber denkt an die Kraft des stummen Kiai. Nutzt sie, um euer Chi direkt ins Schlagziel zu leiten. Die Kraft des stummen Kiai ist im Moment des Tötens nicht zu unterschätzen.«
»Das ist Professor Jermalow«, erklärte Nile Alex. »Er war mein Lehrer, als ich hier war. Mit dem solltest du dich nicht anlegen. Ich habe gesehen, wie er einen Kampf mit einem einzigen Finger für sich entschieden hat. Er ist schnell wie eine Schlange und auch ungefähr so freundlic h …«
Sie überquerten den Hof und gelangten durch eine Bogentür in einen riesigen Raum mit prächtigem Mosaikboden, bunten Fenstern, Säulen und Holzwänden, in die Engel geschnitzt waren. Früher mochten hier Gottesdienste abgehalten worden sein. Jetzt aber diente der Raum als Speisesaal und Versammlungsort und war mit langen Tischen, modernen Sofas und einer Durchreiche zu der dahinterliegenden Küche ausgestattet. An der gewölbten Decke konnte man die Reste alter Fresken erkennen: Engel, die seit langer Zeit verblasst waren.
An der Hinterwand entdeckte Alex eine Tür. Nile ging hinüber und klopfte an.
»Entrez!«, rief eine freundliche Stimme auf Französisch.
Sie betraten ein großes achteckiges Zimmer. An fünf der acht Wände standen Bücherregale. Die Deck e – blau mit silbernen Sterne n – war mindestens zwanzig Meter hoch. Eine Leiter auf Rollen reichte bis zu den obersten Regalen. Zwei Fenster boten Aussicht auf ein bewaldetes Gelände, aber die Bäume unmittelbar davor ließen nur wenig Licht in den Raum. Von der Decke hing an einer schweren Kette ein eiserner Kronleuchter mit einem Dutzend Glühbirnen. In der Mitte des Raums stand ein wuchtiger Schreibtisch mit zwei antiken Stühlen davor und einem dahinter. Auf diesem dritten Stuhl saß ein kleiner, dicker Mann in Anzug und Weste. Vor ihm stand ein Laptop, den er mit seinen Stummelfingern erstaunlich schnell bearbeitete. Er trug eine edle Brille mit Goldrand und einen gepflegten schwarzen Bart, der unterm Kinn spitz zulief. Die Haare auf seinem Kopf waren grau.
»Alex Rider! Bitt e … tritt näher.« Der Mann blickte offensichtlich erfreut von seinem Computer auf. »Welche Ähnlichkeit! Ich habe deinen Vater sehr gut gekannt, und du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.« Er sprach perfektes Englisch mit leichtem französischen Akzent. »Mein Name ist Olivier d’Arc. Ich bin, könnte man sagen, der Direktor dieser Anstalt, der Schulleiter, sozusagen. Ich habe mir gerade ein paar Informationen über dich aus dem Internet besorgt.«
Alex setzte sich auf einen der antiken Stühle. »Ich wusste gar nicht, dass über mich etwas im Internet zu finden ist.«
»Das hängt ganz von der Suchmaschine ab, die man benutzt.«
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