Alex Rider 6: Ark Angel
er in der Nachmittagssonne an den Uferpalmen entlangrauschte, waren alle seine Sorgen wegen Drevin, der CIA, Ark Angel und Force Three wie weggeblasen. Zwei Stunden lang war er glücklich und genoss endlich den Urlaub, den man ihm versprochen hatte.
Als sie vom Kitesurfen genug hatten, ließen sie sich erschöpft in den Sand fallen und sahen zu, wie die Sonne sich dem Horizont näherte. Es war immer noch sehr warm. Der Wind wehte sanft über den Strand und brachte den Duft von Pinien und Eukalyptus mit sich. Von diesem Teil der Insel aus waren die beiden Raketen nicht zu sehen. Ein Graureiher hockte reglos am Ende des Stegs und spähte ins Wasser. Die Segelschiffe und Motorboote schwankten leise auf den Wellen.
Alex lag auf dem Rücken und genoss die Wärme der untergehenden Sonne. Als er den Kopf zur Seite drehte, bemerkte er, dass Paul seine Brust anstarrte. Die Operationsnarbe war schnell verheilt, aber immer noch sehr rot.
»Da hast du dich ja wirklich schlimm verletzt«, sagte Paul. »Ja.« Alex hatte keine Lust, wieder von der erfundenen Geschichte mit dem Fahrradunfall anzufangen.
»Du bist auch sonst ganz schön zerschrammt.«
Alex sah gar nicht hin. Jedes Mal wenn der MI6 ihn mit einem Auftrag losgeschickt hatte, war er mit neuen Souvenirs zurückgekehrt. Er setzte sich auf und griff nach seinem T-Shirt. »Ich hab einen Bärenhunger«, sagte er, um das Thema zu wechseln. »Wann gibt es Abendessen?«
»Erst in einer Stunde. Aber wenn du willst, können wir uns einen Snack holen.«
»Nein. Ich kann warten.«
Alex streifte das Hemd über. Der Horizont halbierte die Sonne. Das Meer war blutrot.
»Gefällt es dir hier?«, fragte Paul.
»Und wie. Ich find’s fantastisch.« Alex gab sich alle Mühe, etwas Begeisterung in seine Stimme zu legen.
»Es ist wirklich was anderes, mit einem wie dir hier zu sein.« Paul starrte den Horizont an, als könnte er dort die richtigen Worte finden. »Es muss schrecklich sein, keine Eltern zu haben«, sagte er. »Aber du weißt nicht, wie es ist, so einen Vater wie meinen zu haben. Er hat so viel Geld, und alle kennen ihn. Nur dass ich manchmal denke, ich kenne ihn überhaupt nicht.«
»Bist du gern bei deiner Mutter?«, fragte Alex in der Absicht, das Gespräch von Drevin wegzulenken.
Paul nickte. »Ja. Ich wünsche mir nur, er würde mich öfter zu ihr lassen. Es gefällt mir nicht, dauernd allein zu sein. Manchmal frage ich mich, wozu ich überhaupt da bin.«
Alex fühlte sich immer unbehaglicher. Paul hatte keine Ahnung, dass sein ganzes Leben sich demnächst in Luft auflösen würde, und dass er – Alex – nur hier war, um genau das in die Wege zu leiten. In weniger als einer Woche würde die CIA seinen Vater verhaften. Wahrscheinlich würde die amerikanische Regierung Drevins gesamtes Vermögen beschlagnahmen. Und Drevin würde man ins Gefängnis sperren.
Und was würde dann aus Paul werden? Die Geschichte würde in sämtlichen Zeitungen der Welt Schlagzeilen machen. Er würde seinen Namen ändern müssen. Er würde noch einmal ganz von vorne anfangen und sich an ein vollkommen anderes Leben gewöhnen müssen. Irgendwie würde er sich mit der Tatsache abfinden müssen, dass er der Sohn eines brutalen Verbrechers war. Der Sohn eines Mörders. Aber nichts davon war Alex’ Schuld. Er schärfte sich ein, das nicht zu vergessen. Und Paul hatte eine Mutter, die für ihn da sein würde, wenn das alles zusammenbrach. Er würde das schon schaffen.
Die Sonne war fast vollständig verschwunden. Ein gewaltiger Schatten schien sich auf dem Meer auszubreiten, und Alex sah den Reiher abheben und mühelos über die Palmen davonsegeln. Das Paradies? Der Vogel wusste es vielleicht besser.
Alex stand auf. »Gehen wir«, sagte er.
Sie gingen zusammen am Strand entlang; neben ihnen rauschten leise die Wellen.
A uf der anderen Seite der Insel wurde unterdessen ein ganz anderes Gespräch geführt.
Magnus Payne, der Sicherheitschef, stand in einem großen Büro mit Aussicht auf den Startplatz. Drevin saß auf einem Ledersofa und las die E-Mail, die Payne ihm soeben gereicht hatte.
»Alex Rider ist ein Agent des MI6«, sagte Payne. »Es kann sein, dass er jetzt gerade nicht für sie arbeitet, aber in der Vergangenheit ist er für sie im Einsatz gewesen – und nicht nur einmal, sondern mehrmals. Wenn die wissen, dass er hier ist, könnte es durchaus sein, dass man ihm Weisung erteilt hat, Sie auszuspionieren. Ich habe sein Gepäck durchsucht und nichts gefunden. Aber das
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