Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
Er kommt, ohne dass er es merkt, in eine Art Spiegelkabinett. Jede seiner Bewegungen wird von uns überwacht. Bestimmte Türen bleiben ihm verschlossen, andere öffnen sich. Wir beobachten ihn rund um die Uhr. Aber wie gesagt, wir fangen mit dem MI6 an. Er muss dafür sorgen, dass Alex uns in die Falle geht.
Wenden wir uns also dem Köder zu. Sagen wir, in der Themse wird eine Leiche gefunden. Sie gehört einem polizeilich gesuchten Verbrecher … einem sehr wichtigen Verbrecher, der vom MI6 schon lange gesucht wird. In seiner Tasche steckt ein Brief oder ein anderes Dokument, natürlich codiert. Der MI6 schickt seine Spezialisten und sie entschlüsseln den Text. Sie entnehmen ihm, dass in einem fernen Land etwas passiert, was ihre Anwesenheit erfordert. Etwas Weltbewegendes. Sie müssen sofort einen Agenten hinschicken …«
»Sie könnten dafür jeden nehmen«, unterbrach Mikato. »Warum ausgerechnet den Jungen?«
»Weil es um einen Einsatz gehen wird, bei dem ein Kind am wenigsten auffällt. Das ist von entscheidender Bedeutung. Dieses Motiv taucht in den Akten immer wieder auf. Das erste Mal setzte der MI6 Alex Rider ein, weil er sich als Gewinner eines Wettbewerbs in einer Computerzeitschrift ausgeben konnte und dadurch zur Firma Herod Sayles in Cornwall kam. Beim nächsten Mal fuhr er als Sohn eines Multimillionärs nach Südfrankreich und wurde Schüler der Point-Blanc-Akademie. Anschließend flog er mit zwei amerikanischen Agenten, einer Frau und einem Mann, nach Skeleton Key, einer Insel. Er gab sich als Sohn der beiden aus und die drei bildeten nach außen hin eine stinknormale, glückliche Familie. Sie sehen, es gibt ein Muster. Wenn ein Jugendlicher gebraucht wird, muss der MI6 Alex Rider nehmen. Er hat sonst niemanden.«
Wieder entstand eine Pause. Die italienischen Zwillinge wechselten einen kurzen Blick und wussten sofort, dass sie zur selben Entscheidung gelangt waren. Mikatos Miene entspannte sich und er nickte langsam. Der Australier lächelte in sich hinein.
»Lakek et hatahat sheli!« Levi Krolls obszöner Fluch auf Hebräisch zerstörte das stumme Einverständnis unter den Anwesenden. Er stand auf. »Das darf doch nicht wahr sein, was Sie hier planen!«, fuhr er erhitzt und an alle gewandt fort. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen, die Adern auf seinen Schläfen traten hervor. »Das ist vollkommener Wahnsinn! Hören Sie mir zu. Ich glaube ja nicht, dass der Junge besser ist als wir. Dass er uns schlagen konnte, waren unglückliche Zufälle. Aber wir dürfen das Element des Zufalls bei unseren Überlegungen nicht aus den Augen verlieren. Man kann alles perfekt planen und dann doch an einem kleinen, unvorhergesehenen Detail scheitern. Einer Zufallsbegegnung auf der Straße, einer Pistole mit Ladehemmung oder schlechtem Wetter! Sie wissen das.
Und Alex Rider hat ein geradezu unheimliches Glück. Nur das erklärt Julia Rothmans Tod – auch den ihres Stellvertreters Nile. Major Winston Yu war ein Genie. Er hat die erfolgreichste Snakehead-Operation im Fernen Osten geleitet. Bis zu seiner Begegnung mit Alex Rider. Er wurde getötet und seine Bande zerfiel. Es gibt ein Dutzend Möglichkeiten, wie wir die Briten zur Rückgabe dieses alten Schrotts bewegen können! Ich persönlich plädiere für eine Atombombe. Wir könnten auch ein Mitglied der königlichen Familie entführen, vielleicht einen Prinzen, und ihn stückweise zurückschicken, bis die Regierung auf unsere Forderungen eingeht. Aber ich will nicht ein drittes Mal mit diesem Jungen zu tun haben. Zweimal reicht. Wir dürfen keine weitere Demütigung riskieren.«
Kroll setzte sich schwer atmend.
»Teilt jemand die Bedenken unseres Kollegen?«, fragte Zeljan Kurst. Die Mitglieder von Scorpia beäugten einander misstrauisch wie Pokerspieler, die gleich ihr Blatt aufdecken werden, aber niemand sagte etwas.
»Kann ich Ihrem Schweigen entnehmen, dass Sie alle Mr Razims Plan zustimmen?«
»Ich nicht!«, beharrte Kroll. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Und laut unseren Regeln kann ein Projekt ohne einstimmigen Beschluss nicht durchgeführt werden.«
Kurst schien zu überlegen. »Vielleicht gelangen wir ja doch noch zu einem solchen Beschluss«, schnurrte er.
»Wie denn, Zeljan?« Kroll sah ihn herausfordernd an.
Zeljan Kursts mächtige Schultern hoben und senkten sich einige Zentimeter, aber er antwortete nicht. Stattdessen wandte er sich an Razim. »Sie hatten vorgeschlagen, ein Verbrecher könnte tot in der Themse gefunden werden.
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