Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
Nordirland in Betracht gezogen. Dort gab es noch Gefängnisse aus der Zeit des Nordirlandkonflikts, die man entsprechend hätte umrüsten können. Stattdessen war die Wahl auf das Überseegebiet Gibraltar an der Südspitze der Iberischen Halbinsel gefallen. Aus guten Gründen: Zunächst einmal befand man sich noch auf britischem Boden. Außerdem war die Enklave praktisch selbst ein Gefängnis. Sie grenzte auf drei Seiten ans Meer und auf der vierten, besonders scharf bewachten, an Spanien. Von den Spaniern abgesehen, die das Gebiet gelegentlich zurückforderten, hätten die meisten Menschen Schwierigkeiten gehabt, es auf einer Karte zu zeigen. Und schließlich vor allem deshalb, weil es eine Basis der britischen Streitkräfte und der Royal Navy war. Auf der Halbinsel standen bereits zahlreiche militärische Gebäude. Eines mehr würde nicht auffallen.
Das Gefängnis lag hoch auf dem Felsen von Gibraltar und man sah von dort die Bucht und das Mittelmeer – oder hätte beides gesehen, wenn die sechs Meter hohen und ein Meter dicken Mauern nicht gewesen wären. Auf deren Innenseite lief ein unter Strom stehender Stacheldraht entlang. Selbst wenn ein Häftling sich in der Gefängniswerkstatt heimlich eine Leiter gebaut hätte, er hätte sie nicht an die Mauer anlehnen können. Den Stacheldraht hatte man so angebracht, dass man ihn von außen nicht sehen konnte. Das Gefängnis hatte keine Wachtürme und außerhalb der Mauern patrouillierten auch keine bewaffneten Wächter. Anders ausgedrückt: Nichts verriet den wahren Zweck des Gebäudekomplexes. In der näheren Umgebung wohnte niemand. Ortsansässige und Touristen, die hier vorbeikamen, glaubten, es handle sich um eine Einrichtung der Marine, die mit Nachrichtenübermittlung via Satellit und Internet zu tun habe.
Der größte Teil der Sicherheitsvorkehrungen war unsichtbar. So gab es eine interne Videoüberwachungsanlage, bestehend aus rund hundert Kameras und versteckten Mikrofonen. Die Häftlinge wurden beobachtet und belauscht, sobald sie aufwachten und sogar während sie schliefen. Bewegungssensoren und Wärmebildkameras lieferten rund um die Uhr Daten und die Wachleute konnten zu jedem Zeitpunkt sagen, wo sich ein bestimmter Häftling aufhielt. Die zwölf Zellen, von denen fünf leer standen, waren auf den massiven Fels gebaut. Man konnte sie also nicht untertunneln. Trotzdem hatte man unter den Bodendielen weitere Bewegungsmelder installiert. Besucher waren nicht erlaubt. Die Häftlinge bekamen keine Post und konnten auch keine verschicken. Das Gefängnis hatte nur einen Eingang, der zugleich auch der Ausgang war: eine Schleuse mit elektronisch gesicherten Toren an beiden Enden. Ankommende und abfahrende Fahrzeuge mussten auf einer Platte aus verstärktem Glas anhalten und wurden dort vor der Weiterfahrt von allen Seiten gründlich untersucht.
Überraschenderweise war das Gefängnis trotzdem ein sehr angenehmer Ort. Es erweckte geradezu den Anschein, als habe die britische Regierung die Insassen davon überzeugen wollen, dass sie sich einen Rest Menschlichkeit bewahrt hatte. Die Gebäude waren niedrig und aus Holz und Ziegeln erbaut. Von den Gittern an den Fenstern des Wohnblocks einmal abgesehen, erinnerte die Anlage an ein Feriendorf – ein Eindruck, der durch die Blumenbeete, Olivenbäume, Zypressen und die Rasensprenger neben den gewundenen Wegen noch verstärkt wurde.
Der Direktor war ein raubeiniger Exmarinesoldat mit einer spanischen Frau. Seine Villa dagegen schien geradewegs aus Disneyland importiert zu sein.
Jeder Häftling hatte eine eigene Zelle mit Bett, Arbeitsbereich, Fernseher, Dusche und Toilette. Außerdem enthielt der Zellenblock eine Bücherei, einen gut ausgestatteten Fitnessraum, eine Holz- und eine Metallwerkstatt und ein Esszimmer. In den anderen Gebäuden waren die Verwaltung, die Wohnungen der Wachleute, ein zentraler Überwachungsraum und ein Strafblock untergebracht. Letzterer bestand aus einem schmalen Gang mit drei unterirdischen Räumen. Diese waren schalldicht und fensterlos, wurden allerdings nur selten verwendet. Es gab keinen Anlass. Und da Fliehen unmöglich war, hatte es auch nie jemand versucht.
Sieben Häftlinge.
Zwei davon waren Terroristen. Sie hatten selbst keine Bomben gelegt, aber entschieden, wo welche hochgehen sollten. Man hatte sie bei der Planung eines Atombombenanschlags auf London erwischt, ihnen unter strengster Geheimhaltung den Prozess gemacht und sie nach Gibraltar gebracht. Niemand durfte je erfahren,
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