Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
niemand vermisste. Es klang fast zu schön, um wahr zu sein. Andererseits konnte Jack durchaus Recht haben. Razim glaubte, alle Vorteile auf seiner Seite zu haben. Vielleicht machte ihn das leichtsinnig.
»Also gut«, sagte er. »Aber hör zu: Wenn du die Möglichkeit hast, ohne mich von hier wegzukommen, dann tust du das.«
»Ich würde dich nie zurücklassen«, erwiderte Jack.
»Vielleicht musst du das aber. Es ist immer noch besser, wenn einer hier rauskommt als keiner.« Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Und pass bitte auf dich auf, Jack. Ich kenne solche Leute. Die sind eiskalt und berechnend. Wir haben es hier mit Scorpia zu tun.«
»Du hast sie schon zweimal besiegt«, erinnerte Jack ihn.
Alex nickte. »Und aller guten Dinge sind drei.«
D en Rest des Tages saßen sie zusammen im Schatten und redeten über alles Mögliche, nur um nicht an die verstreichende Zeit und den immer näher rückenden Abend denken zu müssen. Alex verdrängte, was Razim gesagt hatte.
»… Schmerzen, wie du sie noch nie gehabt hast …«
Sie sprachen über Brookland, über Sabina, über ihre Wohnung in Chelsea – über alles, womit sie das Schweigen füllen konnten.
Von Julius Grief war nichts zu sehen und auch Razim schien verschwunden zu sein. Offenbar waren die beiden nach drinnen gegangen. Die Sonne brannte schonungslos herunter und kaum ein Lüftchen regte sich.
Um halb vier kam eine Wache und befahl ihnen in gebrochenem Englisch, in ihre Zellen zurückzukehren. Da sie ihre Gefühle nicht vor diesen Menschen zeigen wollten, umarmten sie sich nur kurz.
»Viel Glück«, flüsterte Alex.
»Ich hole dich, versprochen.«
Dann wurden sie zu ihren Zellen gebracht.
Jacks Zelle lag ein Stück weiter den Gang entlang auf der anderen Seite. Bevor die Türen geschlossen wurden, drehte Alex sich noch einmal um und sah bedrückt, dass Razim, wie er gesagt hatte, tatsächlich kein Risiko einging. Auf dem Gang stand ein Stuhl und auf ihm saß eine Wache. Sie würde beim leisesten Geräusch Alarm schlagen.
Die beiden Türen fielen zu und die Schlüssel drehten sich im Schloss.
Die Zeit verstrich zäh, Minuten kamen ihm wie Stunden vor. Alex wusste, dass auch das zu Razims Plan gehörte. Er sollte an das denken, was ihm bevorstand.
»… Schmerzen, wie du sie noch nie gehabt hast …«
Er versuchte, diese Worte zu verdrängen, aber es gelang ihm nicht. Was hatte Razim mit ihm vor? Alex erinnerte sich an die Skorpione, die er am Morgen gesehen hatte. Vielleicht gehörten sie zu Razims Plan.
Nein, halt, das durfte er sich jetzt nicht ausmalen. Er durfte seine Fantasie nicht für seine Gegner arbeiten lassen.
Die Sonne begann unterzugehen. Warum konnte sie nicht noch ein wenig länger am Himmel stehen? Warum neigte der Tag sich auf einmal so schnell seinem Ende zu?
Die Dämmerung brach herein. Plötzlich ging die Tür auf und Julius Grief stand vor ihm.
Er trug die gleiche Schuluniform wie Alex, als wollte er ihn bis zum bitteren Ende nachäffen.
»Es ist Zeit!«, krähte er. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich schon freue!«
Hinter Julius tauchten zwei bewaffnete Wachen auf. Alex stand auf. Er hatte keine andere Wahl. Er trat auf den Gang hinaus. Von Jack war nichts zu sehen.
Julius ging voraus, Alex folgte ihm. Die beiden Wachen bildeten den Abschluss.
Hölle
A lex konnte sich nicht rühren.
Er saß unter einem hellen Scheinwerfer auf einem Lederstuhl mit hoher Lehne und war an Handgelenken, Knöcheln und Hals mit weichen Riemen gefesselt. Er mochte noch so sehr daran zerren, die Riemen würden keine Abdrücke hinterlassen. Kabel liefen über seine nackte Brust. Eine Assistentin in weißem Kittel, die kein einziges Mal lächelte, hatte sie sorgfältig befestigt – die erste Frau, der Alex seit seiner Ankunft im Fort begegnet war. Weitere Kabel wanden sich um zwei seiner Finger, Pulsader, Stirn und Hals.
Die Klimaanlage arbeitete auf Hochtouren und Alex spürte seinen Schweiß kalt auf der Haut. Der runde Raum mit den dicken, weiß gestrichenen Wänden erinnerte ihn an ein übergroßes Iglu. Er war an verschiedene Geräte angeschlossen, die alles maßen, was in ihm vorging. Aus den Augenwinkeln sah er einen grünen Punkt über einen Monitor wandern, der seinen Herzschlag aufzeichnete. Der Punkt hüpfte sehr schnell auf und ab. Alex versuchte angestrengt, ihn zu verlangsamen, aber vergeblich.
Er war nur noch Teil eines Experiments. Ein schreckliches Gefühl der Hilflosigkeit überkam ihn. Man hatte einen großen
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