Alexa, die Amazone – Die große Chance
Tischgesellin leise.
»Miteinander? Gegeneinander, meinst du wohl!«
Das bringt beide zum Lachen. Irene schlägt gekonnt ihr Ei auf und die Frage bleibt unbeantwortet.Harald hat den Ausritt auf neun Uhr angesetzt. Ein strahlender Tag kündet sich an, der Schnee glänzt bereits so stark, dass das Licht den ungeschützten Augen wehtut. Während die anderen schon in den Stall gehen, um die Pferde zu richten, läuft Alexa nochmals in ihr Zimmer, um die Sonnenbrille zu holen. Als sie die Treppe wieder hinunterlaufen will, kommt ihr Harald entgegen.
»Hallo, Alexa. Ich hab dich schon gesucht.«
»Morgen, Harald. Wieso, was ist denn?«
»Ich erreiche Bianca nicht, wahrscheinlich ist noch immer der Telefonstecker aus der Wand gezogen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr gestern gesagt habe, dass der Ausritt heute um neun stattfindet. Heute Morgen, als ich aus dem Haus bin, hat sie noch geschlafen – und ehrlich, ich glaube, ich habe ihr eine falsche Uhrzeit gesagt. Könntest du eben mal schnell zu ihr gehen?«
»Rüber?«, fragt Alexa mit einer entsprechenden Kopfbewegung.
»Ja, es wäre wichtig.«
»Gut. Aber reicht es mir dann noch, die Caprice fertig zu machen? Ich kann sie schließlich nicht ungeputzt reiten. Und heute schon gar nicht.«
»Das ist mir schon klar. Klaus macht dir dein Pferd bereits fertig!«
»Das wird den anderen aber stinken!«
»Unsinn. Was ist jetzt?«
Gemeinsam gehen sie die Treppe hinunter. »Na klar gehe ich zu Bianca. Ich bin schon unterwegs. Ciao!«
Im Hinauslaufen streift sie sich die Daunenjacke über, läuft und schlittert über den festgefrorenen Schnee auf das sechseckige Haus zu. Hohe Schneewälle säumen den freigeschaufelten Platz bis zur Haustür. Bianca öffnet erst nach dem dritten Klingelzeichen. In einem hellseidenen Schlafanzug.
»Hallo, meine Liebe!« Sie drückt Alexa nach französischer Art drei Küsse auf. »Das ist aber eine Überraschung.«
»Morgen, Bianca. Harald schickt mich.«
»Ach ja? Wieso denn? Komm doch rein.«
Beim Hineingehen mustert Alexa sie heimlich. Selbst verschlafen und ohne Aufmachung sieht Bianca einfach toll aus, das muss sie ihr lassen.
»Was gibt es denn so Brandeiliges?«
»Harald befürchtet, dass er dir die falsche Uhrzeit für unseren Ausritt gesagt hat. Er hat dich telefonisch nicht erreicht!«
»Ach so?« Bianca dreht sich nach dem Telefon um. Der Stecker liegt gut sichtbar neben der Buchse. »Wann soll’s denn losgehen?«
»Um neun!«
Bianca schaut zur Uhr. »Na, das sind ja immerhin noch fünfzehn Minuten. Magst du so lange etwas trinken?«
Alexa ist unruhig. Am liebsten würde sie sofort auf dem Absatz umdrehen und sich um ihr Pferd kümmern. Aber höflichkeitshalber muss sie wohl warten.
»Nein, danke. Ich warte so!«
Bianca weist zur Küche hin. »Bedien dich einfach, du kennst dich ja aus.« Und dann verschwindet sie über die Wendeltreppe nach oben.
Alexa klettert auf einen der Barhocker an der Küchentheke und versucht, ihre Nervosität abzuschütteln. Es gelingt ihr nicht, die innere Unruhe wird immer stärker. Sie muss an sich halten, um nicht mit den Fingern auf dem Holz zu trommeln. Schau nicht ständig nach der Uhr, sagt sie sich, das nützt auch nichts!
Zehn Minuten später steht Bianca wieder da. Ihre Haare hat sie zu einem frechen Pferdeschwanz hochgebunden und mit glänzenden Perlen behängt. Wie sie das in der kurzen Zeit geschafft hat, weiß Alexa auch nicht. Dagegen muss ihr geschmückter Zopf direkt dilettantisch wirken. Zu den Reithosen trägt Bianca einen dick gestrickten Pullover mit ausgefallenem italienischem Muster.
»Auf ins Vergnügen«, lacht sie fröhlich und schlüpft ohne Schwierigkeiten,wie Alexa feststellt, in ihre Reitstiefel, zieht eine pinkfarbene Daunenjacke an und steckt sich im Hinausgehen dicke Handschuhe ein. Ob ich die Klasse auch mal erreiche, fragt sich Alexa, schüttelt den Gedanken aber gleich wieder ab. Schließlich ist heute Weihnachten und sie hat noch jede Menge Zeit, bis sie so alt ist wie Bianca!
Gemeinsam versuchen sie den Hügel unbeschadet hinunterzukommen. Die Ledersohlen finden auf der eisigen Schneedecke keinen Halt.
»Wie macht das Harald bloß jeden Morgen?«, fragt Alexa, als sie endlich unten sind.
»Er rutscht hinunter«, lacht Bianca.
»Kein Wunder, dass es dann so glatt ist!«, stellt Alexa trocken fest und atmet auf. So viel sie erkennen kann, steht kein Pferd im Hof. Demnach sind sie noch nicht zu spät. Ihre innere Spannung hat kaum
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