Alexa, die Amazone – Die große Chance
passendes Pferd.«
»Aha.« Harald klopft mit seiner Rechten Arianes sehnigen Hals. »Nun denn, schließlich ist für Klaus auch Weihnachten. Du kannst es ihm nachher sagen.«
»Oh, Harald, du bist heute wirklich umwerfend!«
»Heute?« Harald zieht eine Augenbraue hoch. »Nur heute? Da bin ich aber gleich beleidigt!«
»Immer! Natürlich immer!«, korrigiert sich Alexa schnell.
»Ausgezeichnet. Dann sag das mal Bianca, die zweifelt manchmal daran!«
Sie lachen beide. Alexa ist in Hochstimmung. Caprice bewegt sich weich und trittfest unter ihr. Sie ist anscheinend nicht auf Kampf aus, sondern hat sofort Zügelkontakt gesucht, reagiert auf die feinsten Hilfen. Alexa kommt es fast ein bisschen verdächtig vor, wie sich die Stute benimmt. Hat ihr Harald vorhin vielleicht etwas ins Ohr geflüstert? Soll ihre Willigkeit eine Art Weihnachtsgeschenk für sie sein?
»Na, was macht mein Prachtstück?«, fragt Harald nach einer Weile. »Ich komme mir total überflüssig vor. Sie macht ja plötzlich alles von selbst ...«
»Gib’s zu, das hast du ihr doch vorhin zugeflüstert. Ich hab’s genau gesehen! Ich dagegen habe ihr zwei dicke gelbe Rüben versprochen, wenn sie sich daran hält!«
»Ach so, Bestechung also!« Harald schmunzelt. »Vielleicht macht es ihr auch ganz einfach Freude, die feine Dame zu mimen. Wir wissen ja alle, dass sie auch anders kann.« Er dreht sich im Sattel um. »Rückt alle auf eine Linie vor. Wir wagen einen kleinen Galopp.«
Bianca setzt ihren Amor rechts neben Harald, Michael weist seinem Achat den Platz neben Caprice an.
»Sie geht gut«, meint er mit einem anerkennenden Blick.
»Ja, stimmt«, lacht Alexa. »Aber es kann auch blitzschnell anders kommen – also mach dich auf alles gefasst ...«
Michael nickt grinsend und hält Achat auf einer Linie mit Caprice.
»Ich gebe das Tempo an«, schreit Harald über die nebeneinander wogenden Pferdeleiber hinweg. »Verhaltener Jagdgalopp, ist das klar? Galopp maarrsch!«
Gleichzeitig schießen die Tiere vor. Der Begriff ist ihnen längst so vertraut wie ihren Reitern auch. Ariane hat sich blitzschnell einen Kopf vor Caprice gesetzt. Caprice vergisst ihre Rolle als sanfte Lady, sie holt sofort auf und will dann vor. Alexa muss tüchtig zulangen, um nicht an Harald vorbeizureiten. Nur mit Mühe kann sie Caprice neben Ariane halten. Aber auch die anderen kämpfen gegen den Führungswillen ihrer Pferde. Harald grinst. Er hält das Tempo bewusst etwas unter der üblichen Jagdgalopp-Geschwindigkeit. Soll schließlich keiner auf seinem Pferd einschlafen und jeder ein bisschen ins Schwitzen kommen.
»Auseinanderziehen – ein Graben!«, schreit er wieder. Den kleinen Bach kennt er vom Sommer her. Im Winter ist er schlecht auszumachen. Das murmelnde Wasser hat da und dort ein Loch in die Eisdecke gefressen, aber die Breite des Bachbettes ist bei den winterlichen Lichtverhältnissen kaum abzuschätzen. Während die trommelnden Pferdehufe dem natürlichen Hindernis schnell näher kommen, hat jeder Reiter Gelegenheit, sich die Maße des Grabens selbst auszurechnen. Einheitlich versammelt die Abteilung, dann fliegen die Pferde wie eine lebende Mauer über das Hindernis. Exakt und passend.
»Das war die Generalprobe für die Springquadrille«, ruft Harald laut.
Amor, durch den Sprung vom Jagdfieber gepackt, hetzt vor. Aber Bianca bekommt den blutvollen Schimmel in den Griff.
So galoppieren sie verhalten in einer Reihe. Neun kraftvolle Pferdebrustkörbe liegen nebeneinander. Die Schulterblätter arbeiten gleichmäßig, die Muskeln treten hervor, angespannt auf den Moment des Spurts wartend. Caprices rehbraune Mähne flattert Alexa im Takt entgegen. Die Aufmerksamkeit der Stute gilt den anderen. Dass es sich nur keiner einfallen lässt, schneller zu sein als sie. Ihre Ohren sind ständig in Bewegung, sie peilt an den Nüstern ihrer vierbeinigen Gefährten entlang. Noch wagt es keiner ...
Der Schnee spritzt unter den eisenbeschlagenen Hufen. Sehnen und Muskeln strecken sich, ziehen sich zusammen. Die Nüstern blähen sichgewaltig, saugen die frostige Luft tief ein. Schaum zeigt sich an den Mäulern. Ungeduldig werden die Gebisse bearbeitet. Vor ihnen liegt fast unendlich weit die weiße, geschlossene Decke. Keine Hecke, kein Weidezaun, keine Bäume, nichts, was den Lauf behindern könnte.
Ariane wird unruhig. Sie hat die Absicht ihres Reiters gespürt, bevor dieser sie noch bekannt geben kann. Die anderen reagieren sofort, spannen sich an, wirken
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