Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
landete, sich aufplusterte, der Agora den Sterz zukehrte und weißlichen Kot ausschied. Der scharfe Brei fiel über die Kante des Simses, traf die hübsche, allzu gerade Nase der bunten Karyatide, troff vom Kinn der Dachträgerin und verrieselte zwischen ihren Brüsten.
Der junge Mann lachte und deutete auf die Taube und ihre Spuren. » Wie deine Rede, Demosthenes.«
» Was? Wie? Wieso?« Demosthenes war vielleicht siebenundzwanzig Jahre alt, mit dünnem Haupthaar und lichtem Bart. Hektische Flecken maserten sein Gesicht; seine Hände öffneten und schlossen sich, rieben Feuchtigkeit am Gewand ab und schwitzten sofort wieder. Die beiden anderen, etwas älter, folgten mit den Augen dem Fingerzeig und lachten.
» Was meinst du, Demades?« Demosthenes’ Stimme war dünn und erregt; die Frage endete mit einem Quieklaut.
» Die Taube. Wie deine Rede. Erst schwang sie sich zum Himmel und den Göttern auf, dann geriet sie unter die Räder des Karrens von Helios, und am Ende gerann alles zu Scheiße.«
Nicht weit entfernt stand eine Gruppe von Männern aller Altersstufen um einen Greis in weißen Gewändern, mit weißem Haar und weißem Bart. Unter ihnen war Aristoteles einer der jüngsten. Der neben ihm Stehende wandte sich an den alten Mann.
» Hast du je eine derartige Darbietung erlebt, Meister?«
Der Greis schüttelte den Kopf. » Dieses Hinreden und dann auf der Fährte der eigenen Worte Zurückreden hat keinen Sinn im Gefüge der Dinge.«
Aristoteles verzog das Gesicht zu einer kleinen Grimasse und sagte halblaut: » Es muß doch einen Grund geben für diese außerordentliche Darbietung von, wie heißt er gleich?«
» Demosthenes.« Der Vierzigjährige neben ihm sprach ebenso leise; er hatte eine Augenbraue gehoben.
» Richtig. Vielleicht sollte der gute alte Platon zuerst einmal die Dinge, wie sie sind, untersuchen, ehe er versucht, sie in sein Gefüge der Dinge, wie sie sein sollten, hineinzuzwängen. Eh, Xenokrates?«
Der andere Mann lächelte, machte dann aber » Schschsch!« und legte den Finger an seine Lippen.
Demades beobachtete die zuckenden Hände von Demosthenes, sah sich um und grinste. Überall auf der Agora gab es nur ein Thema; alle starrten zu ihnen herüber. Die Mienen zeigten Verwunderung, Mißbilligung, Staunen, Empörung. Eine feiste Maus raste zwischen den Beinen der Herumstehenden hindurch, verfolgt von einem struppigen kleinen Hund. Demades zupfte einen der beiden Älteren am Arm. » Was meinst du, Aischines? Du bist doch weit genug herumgekommen…«
Aischines zuckte mit den Schultern. » Vor ein paar Jahren, in der Schlacht bei Mantineia, hatten wir einen sehr erregten Unterführer. Seine Befehle waren so ähnlich wie deine Rede hier, Demosthenes. Drei Schritte vor, nein, zwei zurück. Lanzen ausrichten, nein, Schwerter ziehen.«
Der vierte in der Gruppe schüttelte langsam den Kopf. » Also, ich muß sagen… Wozu sollte das bloß gut sein, Demosthenes? Zuerst machst du einen Riesenanlauf und zerfetzt deinen Gegner, dann gehst du pissen, und nach der Pinkelpause nimmst du alles wieder zurück und wäschst ihn rein. Deinen Gegner, meine ich.«
Die anderen lachten; Demosthenes starrte auf seine Finger.
Demades summte laut. » Also, eine sehr ausgefallene Art, sich in Athen einen Namen zu machen. Verlaß dich drauf, jetzt kennen dich alle. Ich weiß aber nicht, ob sie dich besonders schätzen.«
Demosthenes gelang es endlich, seine Hände zu beherrschen. Er verschränkte sie vor seinem Gemächt, als müsse er dort etwas schützen. » Ah, es gab einen Grund…«
Ehe er mehr sagen konnte, trat ein älterer Mann zu ihnen. Er nickte den anderen zu, sehr knapp.
» Eubulos möchte mit dir sprechen, Demosthenes.«
Demades pfiff durch die Zähne; Demosthenes lief wieder weiß und rot an.
» Eubulos? Der Herr der Gelder der Stadt?«
» Genau dieser. Komm bitte mit.«
Demosthenes verabschiedete sich von den anderen mit einem Wink, eher einer Zuckung von zwei oder drei Fingern, und folgte. Demades schaute hinterher, mit einem erstaunten Gesichtsausdruck. » Also, was bei allem… Erst glänzt er, dann versaut er alles absichtlich, und jetzt holt ihn der große Eubulos höchstselbst zu sich. Wirre Zeiten, wirre Zeiten.«
Eubulos war völlig kahl; ihm fehlten sogar die Brauen. Er war wuchtig, aber nicht feist, etwa fünfzig Jahre alt; an mindestens drei Fingern jeder Hand steckten goldene Ringe mit leuchtenden Steinen. Als Demosthenes mit schlenkernden Beinen näher kam, stolperte
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