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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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durch.
    »Doch, die ist noch zu haben«, erklärte mir eine hörbar genervte Frauenstimme.
    »Und es stimmt alles, wie es in der Anzeige steht? Traumblick und so?«
    »Wieso nicht?«
    »DG heißt Dachgeschoss?«
    Sie lachte auf. »Sie suchen noch nicht so lange, was?«
    »Ehrlich gesagt, ich habe vor zehn Minuten damit angefangen. Sie sind mein zweiter Versuch.«
    »Da haben Sie aber ein Megaglück, das muss ich schon sagen.«
    »Wenn ich vielleicht gleich vorbeikommen dürfte?«
    »Am besten, Sie nehmen das Rad. Parkplätze in der Altstadt, Sie wissen ja …«
    Ich notierte Adresse und Telefonnummer auf einem der bunten Zettel, die ich sonst für die Einkaufsliste benutzte, und machte mich auf den Weg. Fünfzehn Minuten später war ich an der angegebenen Adresse und fesselte mein gutes altes Motobecane-Rennrad an eine Straßenlaterne.
    Die Wohnung lag im Dachgeschoss eines schmalen, hohen und in optimistischem Hellgrün gestrichenen Hauses an der östlichen Hauptstraße.
    Die Häuser der Heidelberger Altstadt waren höher, als ich gedacht hatte. Vier Geschosse zählte ich, und am Ende des Aufstiegs geriet ich ein wenig außer Atem. Aber das war vielleicht gar nicht schlecht, denn jedes bisschen Bewegung war gut für einen Büromenschen wie mich. Was würde Theresa zu diesem Punkt sagen? Im Gegensatz zu mir war sie ja geradezu stolz auf ihre »No sports!«-Haltung. Das Treppenhaus machte einen gepflegten Eindruck, war sogar vor nicht allzu langer Zeit neu gestrichen worden.
    Eine schmale Dunkelhaarige empfing mich in einer Art hellgrauem Kimono. In ihrem linken Nasenflügel funkelte ein Glitzersteinchen. Ihre Füße waren nackt, die Zehennägel blutrot lackiert.
    »Sie haben angerufen?« Flüchtig überließ sie mir ihre kühle, schlaffe Hand. »Dann kommen Sie mal rein in die hübsche Stube.«
    Zweimal Traum war nicht übertrieben. Nicht nur der Blick, die ganze Wohnung war sehenswert. Groß genug für den vorgesehenen Zweck, klein genug, dass man sich beim Putzen nicht überarbeitete. Helle Fliesenböden, weiße Wände, an denen zurzeit noch Schwarz-Weiß-Fotos im Plakatformat hingen. Einige Schrägen gab es natürlich, aber wen störte das schon? Probleme mit dem Stellen der Möbel würden wir nicht haben, da wir kaum welche brauchten. Ein Bett, zwei Stühle zum Ablegen unserer Sachen, einen Tisch für die Sektgläser und einen Kühlschrank für die Flaschen. In Gedanken war ich schon beim Einrichten.
    Die großformatigen Fotos an den Wänden zeigten Gesichter. Menschen aller Altersgruppen, in allen denkbaren Stimmungen, meist jedoch ernst. Der Hintergrund war oft so dunkel, dass man nur Schemen erahnen konnte. Alle Porträtierten schienen nackt zu sein und diese Tatsache vergessen zu haben.
    Auch das Bad war okay, die ultramodern eingerichtete Küche winzig, aber brauchbar. Die ganze Wohnung roch nach irgendeinem indischen Duft. Vielleicht auch – passend zum Kimono – japanisch.
    »Wie hoch war noch mal die Miete?«
    Ich begann schon, mich aufs Einweihungsfest zu freuen. Erst mal reichte ja auch eine Matratze am Boden.
    »Mit Nebenkosten müssen Sie circa fünfhundert rechnen. Das ist für die Lage billig.«
    Meine Begeisterung legte sich ein wenig. Andererseits war die Aussicht wirklich überwältigend, die Lage ideal. Das Schlafzimmer ging nach Norden mit Blick auf die Alte Brücke, Neckar, Philosophenweg. Selbst Lorenzos Haus konnte ich erkennen.
    »Diese Fotos sind toll!«
    »Sind von mir.« Ihre Antwort klang merkwürdig desinteressiert.
    »Machen Sie das beruflich?«
    »Halb und halb.«
    Dann schaute sie zum ersten Mal auf die Uhr.
    Wenn man auf der Südseite aus den Fenstern sah, blickte man direkt auf das mächtige Schloss, das über uns in der Vormittagssonne thronte.
    »Dass Sie das aufgeben«, wunderte ich mich.
    »Ich muss.« Die junge Frau wurde allmählich nervös. »Wenn Sie sich dann vielleicht bald entscheiden könnten? Gleich kommt noch wer.«
    Falls uns die Wohnung irgendwann zu teuer werden sollte – man konnte sie ja auch wieder kündigen.
    »Was ist mit Kaution?«
    »Drei Monatsmieten.«
    »Ein bisschen teuer ist sie schon.«
    »Sorry.« Sie hob die schmalen Schultern. »Ich bin nicht der Vermieter.«
    Es klingelte. Wieder sah sie auf die Uhr.
    »Also, was ist nun?«
    Wir sind nicht auf der Welt, um zu sparen, sondern um zu leben, schrieb Camus, der es zeitweise mit vier Frauen gleichzeitig getrieben haben soll. Das Leben ist kurz, und seine Zeit zu verlieren eine Sünde, war eines von

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