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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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auf ein Gedicht. Nein: einen Gedichtcode. Earl hatte ihm Gedichtcodes beschrieben und erklärt, wie sie zu entschlüsseln waren. Frequenzanalyse, mühsames Durchprobieren von Möglichkeiten. Dieser Code aber war bereits dechiffriert, und das Gedicht, das die Nachricht entschlüsselte, war angehängt. Tolle Sicherheitsvorkehrungen.
    »Sergeant Wall.« Der Offizier kam zurück. Er richtete sich auf. »Ja, Sir?«
    »Die Force Reserve sucht nach Freiwilligen.«
    »Geben Sie mir ein Blasrohr und einen Kraut«, sagte Tom, »und ich bin glücklich.«
    Am nächsten Tag, vielleicht auch am übernächsten: Sie standen einer neuen deutschen Division gegenüber, die vor Ausrüstung und Munition und arischer Überlegenheit nur so strotzte, mit frischen Gesichtern, ausgeschlafen und mit Stukas und Sturmgewehren ausgerüstet. Die Evakuierung war angeordnet worden, die Alliierten verließen Kreta – bis auf die Force Reserve. Die Force Res griff an, ohne Unterstützung, zahlenmäßig unterlegen, um den anderen Zeit zu verschaffen.
    Die Krauts marschierten auf Chaniá und Suda zu, und Tom versank im Blutrausch. Er konnte nicht sterben. Seine Füße in den Stiefeln bluteten, seine Zunge war ein geschwollener Knoten. Dann verstummte der Lärm. Er wurde wie von Gottes Hand emporgehoben und durch die Luft geschleudert und krachte mit dem Gesicht gegen die harte Erde. Zentimeter vor seiner Nase zog sich die schleimige Spur einer Schnecke über einige Zweige. Die Stille war schön. Er war in einem Lazarett, der Sanitäter schüttelte den Kopf. Er lag auf einer Trage, auf einem Laster, wurde durch ein schwelendes Fischerdorf gefahren. Seine Hand war zerschmettert, sein Atem ein sterbendes Pfeifen. Er war auf einem Boot, am ganzen Körper bandagiert, spie blutige Klumpen.
    Ein hellblonder britischer Matrose gab ihm Morphiumspritzen gegen die Schmerzen.
    »Du kannst verdammt noch mal von Glück reden«, sagte der Matrose. »Zwölfhundert bei der Force Reserve, und mehr als tausend sind hinüber.«
    »Hinüber?«
    »Abgekratzt, Kumpel. Nur hundertfünfzig haben überlebt.«
    »Ja. Ich kann von Glück reden.« Sogar sein Zigarettenetui hatte es überstanden. Darin lag ein angelaufener silberner Serviettenring, ein Nickel mit Büffelkopf und ein Gedicht. Der Gedichtcode.
    Es war nicht nötig, ihn zu entschlüsseln, dennoch brauchte er drei Tage, bis er die Lücken ausgefüllt hatte. Es gab zwei Nachrichten:
     
    A N H AUPTQUARTIER DER ALLIIERTEN S TREITKRÄFTE ,
K RETA : G EBEN BEKANNT , DASS UNSER A GENT VOR O RT , C ODE E ULT , ANNIMMT , F LUGPLATZ IN M ÁLEME WIRD
IM Z ENTRUM DER L UFTLANDUNG STEHEN . E ULT HAT
IN E RFAHRUNG GEBRACHT , DASS DEUTSCHES G EBIRGS - JÄGERREGIMENT AUF H ÖHE 107 L ANDET , DANN E IN -
NAHME DES F LUGPLATZES .
     
    Das Hauptquartier in Kreta musste darauf geantwortet haben. Zweifellos hatten sie vorgeschlagen, Höhe 107 zu einer uneinnehmbaren Festung auszubauen. Die Erwiderung darauf lautete folgendermaßen:
     
    E RLAUBNIS , F LUGPLATZ IN M ÁLEME ZU VERSTÄRKEN , WIRD AUSDRÜCKLICH VERWEIGERT . QUELLE EULT DARF UNTER KEINEN U MSTÄNDEN AUFGEDECKT WERDEN . E S IST ALLES ZU VERMEIDEN , WAS DIE NACHRICHTEN - DIENSTLICHE T ÄTIGKEIT VON E ULT VERRATEN KÖNNTE . A GENT VOR O RT DARF NICHT GEFÄHRDET WERDEN .
     
    Sie wussten, dass Máleme das vorrangige Ziel darstellte. Sie wussten es und unternahmen nichts. Die Jungs waren umsonst gestorben …
    Tom war im Feldlazarett. Wieder Morphium. Tetanusimpfungen gegen Infektionen, Blutbildbestimmung, um den Sekundärschock abzuschätzen. Behandlung von Verbrennungen, von denen er gar nicht wusste, dass er sie hatte. Sein Körper war zerschlagen, sein Geist gebrochen. Sie wussten, dass Höhe 107 im Mittelpunkt der Kampfhandlungen stehen würde, aber die Erlaubnis, sich dort zu verschanzen, war verweigert worden. Erlaubnis zur Verstärkung – verweigert. Warum? Um die Quelle zu schützen. Den Agenten vor Ort, mit Decknamen EULT. Man opferte die eigenen Leute, um die Quelle zu schützen. Die Quelle? Die Quelle hatte Tom schon vorher verraten. Die Quelle kannte sich aus mit Gedichtcodes, mit dem Nachrichtendienst – wusste von Opfer und Verweigerung. Das Gedicht selbst enthüllte die Identität der Quelle:
     
    Umhüllt vom Duft des Krieges, dies zärtliche Banner,
Weht und lockt es an feuriger Front.
 Zeichen, die sich blähen und bauschen –
auf Amboss, auf Hammer,
Auf Fahnen wie die Augen von Frauen.
     
    Der Text beruhte auf einem Gedicht von Walt Whitman, Earls

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