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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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mit dem Versuch, Peevy weitere Informationen zu entlocken. Er erfuhr nur noch zwei Dinge: den Namen des Toten, William Melville. Und seine Adresse.
     
    Tom stieß in der Häuserzeile am Shepherd Market das Tor auf und wog Harriets Schlüssel in der Hand. Inch hatte gesagt, Earl habe Bücher mit nach Hause genommen. Befand sich der Mikrofilm im Buchrücken des Tristram Shandy, der Mikrofilm, der ihn zu Earl führen würde? Keine Ahnung. Aber der Hunne wusste alles andere – warum nicht auch das? Also würde er das Buch suchen und Harriet beweisen, dass Earl ein Verräter war. Ihr vor Augen führen, auf wen sie sich eingelassen hatte.
    Das Haus lag in Dunkelheit. Als er an der Tür herumfummelte, ertönte eine Frauenstimme: »Wieder zurück? Oh, verzeihen Sie!« Die ältere Nachbarin. Sie hielt einen Pinsel in der Hand, weiße Farbe tropfte in einen Eimer. »Ich wollte Sie nicht erschrecken, Mr. Wall.«
    »Sie kennen meinen Namen?«
    »Mrs. Wall hat erwähnt, Sie kämen zu Besuch.«
    »Warum sind Sie … Kann ich was für Sie tun?«
    »Oh, ich komm wunderbar zurecht, danke.« Sie hob den Farbeimer an. »Ich mal nur das Schlüsselloch an. Ich tu mir doch immer so schwer, in der Verdunkelung das Schloss zu finden.«
    Die Tür ging auf, und Harriet stand vor ihm. Sie trug eine dunkelgrüne Hose mit nassen Flecken an den Knien, schlammverkrustete Gartenschuhe und eine blaue Steppjacke.
    Er wusste, ohne hinsehen zu müssen, dass sie Dreck unter den Fingernägeln hatte und ihr Haar zerzaust war. Er wusste, ohne hinzusehen, was in ihrem Blick lag. Er sah weg.
    »Guten Tag, Mrs. Turnbull.« Harriet nahm Tom den Schlüsselbund aus der Hand und verschwand im Haus, ohne die Tür zu schließen.
    »Oh!«, sagte die Nachbarin. »Sie wussten nicht, dass sie zu Hause ist?«
    »Es gibt einiges, was ich nicht weiß.« Er trat ein. »Harriet?«
    »In der Küche.«
    Er folgte ihrer Stimme, lehnte sich gegen den Tisch und betrachtete sie, während sie auf den Wasserkessel starrte. »Tut mir leid.«
    »Du siehst schlimm aus.«
    »Earl ist noch nicht wieder da?«
    Sie antwortete nicht.
    »Ich hab mit dem Mann gesprochen. Nach allem, was die Briten wissen, hat der COI seine Spur verloren.«
    »Hast du jemals gehört, dass Earl verloren gegangen wäre?«
    »Ich hab nie gehört, dass er es zugegeben hätte.«
    Fast lächelte sie. »Und wie steht’s mit dir, Tom?«
    »Ich bin schon so lange verloren, dass es sich fast so anfühlt, als hätte ich mich wiedergefunden.«
    »Bleib zum Essen.« Sie öffnete einen Küchenschrank. »Ich hab frischen Spinat und Steak und Nierchen im Kühlschrank. Wenn sie nicht schon schlecht geworden sind.«
    Nur sie beide am Küchentisch, eine brennende Kerze, eine halbleere Flasche Rotwein. »Es geht nicht. Ich kann mir jetzt keine Ruhepause gönnen.«
    »Du wirst dir eine Pause gönnen, Tom, und zwar bald. Ich hab mir heute große Sorgen gemacht – in deinem Zustand am Steuer.«
    »Dem Wagen fehlt nichts. Nur ein paar Grasflecken.«
    Sie streckte sich, um etwas vom obersten Regal zu holen. Die Hose spannte sich um ihren Hintern. Er erinnerte sich an ihre Bewegungen, an die Berührung ihrer Haut. Er sah weg. Und setzte sich.
    Sie stellte ihm eine gelbe Keramiktasse hin. Dampf kräuselte sich, die Tasse fühlte sich in seinen Händen heiß an. Der Tee war süß und milchig, Tom schmeckte die Schärfe von Alkohol.
    Er nippte und lauschte dem Schweigen. »Ich brauch Schlaf, Harry«, sagte er, als er ausgetrunken hatte. »Ich hab seit Ewigkeiten nicht geschlafen.«
    Sie führte ihn nach oben. Sie zeigte ihm das Badezimmer, das Gästezimmer. Gab ihm ein Handtuch und eine Seife. Die Laken auf dem Gästebett waren zurückgeschlagen. In einer Vase standen Schnittblumen. Gerüschte Vorhänge.
    »Kuschelig.« Er wollte sie aufs Bett werfen, wollte sie liebkosen und bestrafen.
    »Nein«, sagte sie. Ihre Absätze klackten über den Flur und die Treppe hinunter.
    Großartig. Zumindest konnte er mit einem einzigen Wort oder noch weniger eine Frau in die Flucht schlagen. Er zog die Schuhe aus und durchsuchte den oberen Stock. Viele Bücher. Kein Tristram Shandy. Kein Mikrofilm. In ihrem Schlafzimmer setzte er sich aufs Bett. Ihr Bett. Er durchwühlte den Sekretär. In der untersten Schublade befanden sich Lavendelsäckchen und Nachthemden. Die Erinnerung ließ ihn einen Augenblick innehalten, dann räumte er die Sachen zur Seite.
    Darunter lagen zwei Waffen und vier Munitionsschachteln. Waffenbesitz war in England verboten,

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