Alias XX
Außenministers von Ribbentrop, ein Mann von rechter Gesinnung. Rechter Gesinnung, Mr. Wall – ein Wortspiel Ihnen zuliebe.«
»Mir ist nicht nach Lachen«, sagte Tom. »Erzählen Sie mir von Abendammer.«
Tom zog einen gepolsterten Sessel neben den am Boden festgeschraubten Holzstuhl Sondeggers. Er spürte Druck auf den Ohren, ein Rauschen. Er war müde, er verlor immer wieder den Faden. Er sah zu Highcastle, der mit aufgerissenen Knöcheln und entzündeten gelben Augen am anderen Ende des Zimmers auf und ab lief.
Sondegger fuhr sich mit der Zunge über die blutigen Lippen.
»Oshima hat Zugang zum engsten Kreis des Führers, eine Stütze der deutsch-japanischen Beziehungen. Er ist derjenige, der …«
»Ich brauche eine Beschreibung und einen Aufenthaltsort. Highcastle wird sich sehr freuen, wenn Sie ihm keinen Grund liefern, Sie am Leben zu lassen.«
»Oshima hat zwei Wochen, bevor es losging, Tokio vom Einmarsch in Russland unterrichtet. Er …«
»Sie haben eine Tochter«, sagte Tom. »Da war ein kleines Mädchen – Abendammer hat sie umgebracht.«
»Ich bin nach Abendammers Aufenthaltsort gefragt worden. Und ich habe ihn genannt.«
»Es gibt Eltern, die um dieses Mädchen trauern. Ihr Funker tötet Kinder.«
»Ich habe in gutem Glauben gehandelt.« Sondegger sah zu Highcastle. »Kann ich etwas dafür, dass seine Leute ihr Handwerk nicht verstehen?«
Highcastle senkte den Kopf und trat näher. Tom hob die Hand – sie hatten ausgemacht, dass er erst mit dem Hunnen reden wollte, bevor weitere Schritte eingeleitet wurden.
»Abendammer ist gewarnt worden«, sagte Tom. »Er hat gewusst, dass sie kommen.«
»Abendammer ist ein Profi.« Sondegger nahm den Bleistift vom Ohr und steckte ihn sich wie eine Zigarette zwischen die Lippen. »Geben Sie mir Ihre Hand.«
»Wenn Ihnen nicht zum Reden zumute ist, dann halten Sie den Mund. Aber Highcastle könnte einige gute Neuigkeiten vertragen.«
»Oh, ich werde reden. Es gibt einige Fakten, die ich nur allzu bereitwillig mitteile. Aber ich übereile nichts. Ihre Hand, bitte.«
»Meine Hand ist genauso wie gestern.«
»Sie ist verletzlich, Mr. Wall, genau wie ich. Ich empfinde ein gewisses Mitgefühl. Sie sind vor wie vielen Monaten verletzt worden? Vier?«
»Sechs.«
»Die Wunde hat sich entzündet? Wenn Sie diesen Verband nicht bald wechseln, wird es wieder passieren. Überlassen Sie mir Ihre Hand, Mr. Wall.«
Tom sah auf. Highcastle hielt die Stuhllehne gepackt. Er brauchte die Information – er musste Abendammer aufhalten und Sondegger exekutieren und das Zwanziger-Komitee retten. Und der einzige Weg zu Abendammer führte über Sondegger.
»Großartig.« Tom legte die Hand auf den Tisch. Sondegger tippte mit dem stumpfen Ende des Bleistifts gegen den Verband. »Abendammer ist zwanzig Jahre alt«, sagte er so leise, dass Highcastle es nicht hörte. »Haben Sie das Buch ausfindig gemacht?«
»Es ist an einen Hausierer verkauft worden.«
»Abendammer hat blondes Haar – wenn es nicht gefärbt ist. Sie kommen nicht ran?«
»Ich werde es finden.«
»Abendammer hat grüne Augen, eine Narbe in der linken Kniekehle, fünf Zentimeter lang, halbmondförmig.« Sondegger ließ den Stift kreisen und rollte damit den Verband auf. »Die Mikrofotografie enthält genügend Beweise für einen Überraschungsangriff auf Ihr Land – lediglich unvollständige Beweise, aber ausreichend, um ihn zu stoppen, wenn rechtzeitig gehandelt wird. Sie können das Foto vergrößern?«
»Ja.«
»Natürlich – mit Hilfe der Frau Ihres Bruders.«
Tom sah zu Highcastle, um sich zu vergewissern, dass dieser nichts belauschte. »Ja.«
»Abendammer hat jahrelang in London gelebt. Es gibt einige unter den Vorgesetzten, die meinen, ›Schmetterling‹ sei ein zutreffenderer Deckname.« Sondegger begutachtete Toms Hand. »Der Überraschungsangriff wird Tausende amerikanischer Menschenleben kosten. Was würden Sie tun, um das zu verhindern?«
»Wenn Sie dagegen sind, bin ich uneingeschränkt dafür.«
»Sie haben Männer in die Schlacht geführt. Sie haben Männer verloren. Fünf? Zehn? Stellen Sie sich tausend vor. Fünftausend Ihrer Kameraden, tot, und Sie würden nichts dagegen unternehmen?«
»Nicht, wenn Sie es mir sagen.«
»Hab ich Sie getäuscht? Hat Earl ein Zimmer im Rapids? War Abendammer am Treff? Befindet sich eine Mikrofotografie im Buchrücken von Tristram Shandy ?Ja, ja und noch mal ja. Thomas, nehmen Sie mal an, wir seien in meinem Heimatland eine Gruppe
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