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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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Scheißkerl.«
    »Beschissener Scheißkerl«, stimmte Renard selbstzufrieden zu. »Dieser Herr Sonder hat was für Earl, ein Päckchen, sagt Rugg. Schauen Sie’s sich selber an. Earl ist verschwunden, also kommt nur Tom Wall in Frage. Vermute, dass Sie das nicht sonderlich überrascht.«
     
    Es waren drei Stockwerke hoch zu seiner Suite. Chilton war nicht sonderlich außer Atem, aber ihm pochte das Herz. Er verschloss die Tür, legte das Blatt auf das Schreibpult, zog an der Kette unter dem Lampenschirm und beugte sich über die verknitterte Seite.
    Rugg und Renard hatten sich bei der Entzifferung von Melvilles konfusen persönlichen Notizen gar nicht so blöd angestellt. Chilton aber machte es besser. Er sprach sich die Worte laut vor, während er das Gekritzel des Toten entschlüsselte: »Überläufer, Herr Sonder, auf Bauernhof in Einzelhaft …« Er drehte das Papier ins Licht. »Nachrichtendienstliche Dokumente? In Herrn Sonders Besitz. Misstrauisch gegenüber den Briten, gegenüber RDF. Falsches Element könnte Nachrichten unterdrücken.«
    Chilton rieb sich den Nacken. Seine Hand zitterte – nicht vor Erschöpfung, sondern vor Aufregung. Er brauchte nur einen losen Faden, der es ihm ermöglichen würde, Churchills Gespinst aus Lügen und Täuschungen zu entwirren. Das Gekritzel ging weiter: »Berichte an einen Agenten der U.S. weitergeleitet. Identifizierung. E. Wall nicht erreichbar …«
    Es klopfte an der Tür.
    »Ich möchte jetzt nicht gestört werden«, rief Chilton, ohne den Kopf zu heben.
    Den Rest las er leise, dann starrte er mit leerem Blick auf das Papier. Thomas Wall sollte anstelle seines Bruders kontaktiert werden. Dieser Sonder hatte Informationen, die die Abwehr, deren gesamtes Agentennetz unterminieren würden. Es folgte einiges Geschwafel über eine durchgestrichene Null in der Zahl 309 … Chilton griff sich den Brieföffner aus Messing und drehte ihn in der Hand. Ein deutscher Agent namens Sonder war mit Informationen übergelaufen, einem Paket, das gegen die Deutschen verwendet werden könnte. Aber er misstraute den Briten, weshalb er Kontakt zu den Amerikanern suchte? Melville hatte das Paket an Tom Wall weitergegeben? Wer war Melville? Und warum Tom? Wie auch immer, Tom war im Besitz von Informationen, die die deutsche Abwehr schädigen konnten.
    »Endlich«, sagte Chilton.
    Endlich würde er zur Tat schreiten können. Er musste Tom ausfindig machen, sich des Pakets bemächtigen. War es möglich, dass dies alles auch nur annähernd der Wahrheit entsprach? Es klang sehr unwahrscheinlich, wären nicht zwei Dinge gewesen: Davies-Franks mysteriöser Besuch und Melvilles mysteriöser Tod.
    Chilton würde das Paket sicherstellen und es vernichten. Einen anderen Weg gab es nicht.
     
    Die Decke lag fünf Zentimeter über Toms Kopf. Sein Haar streifte gegen die rauen Planken, während er auf und ab ging. Fünf Schritte, dann drehte er um. Es gab ein Bett und einen Kübel und sieben Stufen, die zu einer verschlossenen Holztür hinaufführten. Seine Zelle war ein umgebauter Kohlenkeller. Fünf Schritte, umdrehen. Der Boden bestand aus festgestampfter Erde. Seine Hand pochte, hatte aber aufgehört zu bluten. Er hatte sich gegen ärztliche Behandlung gesträubt. Über ihm leuchteten schmale Linien aus Licht, Ritzen in den Planken des Küchenbodens. Er lag auf dem Bett. Schloss die Augen und konnte nicht schlafen. Er konnte seinem eigenen Verstand nicht trauen. Angst trieb ihn um …
    Von der Tür kam ein Lichtstrahl. Ein Mann mit einem Kleiderbündel trat ein. Sie hatten ihm seine Sachen abgenommen, um sie zu durchsuchen. Er zog sich an und verband die Hand. Oben sprach Highcastle mit ihm. Highcastles Miene war angespannt, sein Blick schneidend. Er wollte Abendammer – Einzelheiten, die genauer waren als blond, zwanzig Jahre alt, grüne Augen. Er wollte Sondegger. Er musste das Zwanziger-Komitee schützen, Davies-Franks Vermächtnis. Er wollte Tom ins Gefängnis bringen. Stille.
    Tom sagte: »Sie sind zu mir gekommen.«
    Eine Stunde später fuhr Ginger Tom nach London. Die Sonne schien. Der Wagen hielt vor einer Erste-Hilfe-Station. Dann fuhr er davon, und Tom stand im kalten Wind auf dem Bürgersteig. Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und strich mit dem Daumennagel über ein Streichholz. Es wollte sich nicht anzünden lassen. Er brauchte Harriet.
    Es war früher Abend. Tom schwankte, er stand vor der Brandschutztür des Waterfall, zwei kalte Stockwerke hoch. Er hatte keine

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