Alibi in High Heels (German Edition)
grellen Scheinwerferlicht. Überall, wo ich hinsah, blitzen Kameras. Zu hell. So hell, dass ich kaum sehen konnte, wohin ich ging. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, den Laufsteg unter meinen Füßen zu erkennen. Aber er schien so lang – viel zu lang. Ich ging und ging und mir war, als würde ich niemals das Ende erreichen. Und je länger ich ging, desto lauter wurde das Geplapper der Reporter, das Klatschen des Publikums und das Klicken der allgegenwärtigen Kameras.
Bis plötzlich ein Ruf aus der Menge an mein Ohr drang.
»Mörderin!«
Ich drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. In das grelle Licht blinzelnd, schirmte ich die Augen mit der Hand ab, um etwas erkennen zu können.
»Mörderin!«, schrie die Stimme wieder. Und plötzlich schwangen die Scheinwerfer herum und strahlten sie an.
Es war die Stimme von Moreau. Er stand auf einem Klappstuhl, sodass er die Menge überragte, in einer schwarzen Robe und einer weißen Perücke, wie sie die englischen Anwälte tragen. Mit bösem Gesicht zeigte er mit ausgestrecktem Finger direkt auf mich, und sein Schnurrbart, das tote Eichhörnchen, zuckte wild.
»Sie war es! Ich sage Ihnen, sie hat sie alle getötet!«
Die Fotografen ließen wieder ihre Blitze blitzen und die ganze Menge brüllte: »Mörderin.«
»Aber ich bin unschuldig« wollte ich ihnen zurufen, doch meine Stimme war zu sanft, zu leise, fast ein Flüstern. Ich versuchte es noch einmal, aber ich brachte nur einen Hauch zustande.
Ich wandte mich um, um wegzulaufen, doch plötzlich war Moreau bei mir. Wohin ich mich auch drehte, immer stand er vor mir und zeigte mit dem Finger auf mich.
Ich schloss die Augen und steckte mir die Finger in die Ohren, um seine Anschuldigungen nicht mehr hören zu müssen.
Und als ich schließlich doch einmal blinzelte, war er da.
Ramirez.
Mit steinerner Miene, die Hände in den Taschen, und der Panther kroch bedrohlich seinen Arm hinunter.
»Sag Ihnen, dass ich es nicht war«, bat ich ihn. »Sag Ihnen, dass ich keine Mörderin bin.«
Aber er sah mich nur an und drehte sich dann um und ging fort.
Meine Augenlider flogen auf. Mir stockte der Atem, als ich in das plötzliche Licht blinzelte. Einen Moment lang hatte ich Angst, ich würde noch träumen. Bis ich begriff, dass es das Sonnenlicht war, das durch die gelben Rüschenvorhänge fiel, keine Scheinwerfer. Ich hob den Kopf und blickte auf die Anzeige des Digitalweckers: sieben Uhr fünfzehn. Ich schloss die Augen und sank zurück in die Kissen.
Heute fand die Show statt.
Ich holte tief Luft, und die letzten Reste des Alptraums wichen einem bittersüßen Gefühl.
Seitdem ich als kleines Mädchen meine Barbiepuppen ausstaffiert hatte, hatte ich davon geträumt, einmal an einer echten Modenschau als Model teilzunehmen. Als ich aber nur knapp größer als Tom Cruise wurde, musste ich den Traum vom Laufstegmodel natürlich begraben. Dann, während des Studiums, begann ich wieder zu träumen, dieses Mal davon, irgendwann meine eigene Kollektion vorzuführen. Das wurde zu meinem heiligen Gral. Und nun, als ich so hinauf an die Decke starrte und daran dachte, dass ich der Verwirklichung meines Traumes hier in Paris so nahe gekommen war, um dann doch wieder enttäuscht zu werden, bekam ich einen Kloß im Hals.
Ich hatte die winzige Hoffnung, dass Moreau meine Schuhe für die heutige Show freigab. Doch jetzt begriff ich, dass das nicht passieren würde. Solange ich noch seine Verdächtige numero uno war, würde er meine Babys auf keinen Fall freilassen. Ich holte tief Luft. Schluss mit dem Selbstmitleid!
Nein, die Maddie Springer, die sich an die Spitze ihrer Klasse im Academy of Art College gekämpft hatte, bemitleidete sich nicht selbst. Die Frau, die die in Beverly Hills begehrteste Schuhkollektion seit Manolo entworfen hatte, bemitleidete sich nicht selbst. Und die aufstrebende Designerin, die Jean Luc persönlich angefragt hatte, damit sie seine Models mit Schuhen ausstattete, bemitleidete sich erst recht nicht selbst. Jetzt reichte es. Ich würde nicht zulassen, dass mir die Paparazzi, hochnäsige französische Polizeibeamte oder ein verdammter Gips die Tour vermasselten.
Ich rollte mich aus dem Bett, sprang unter die Dusche, zog eine schwarze Jeans an, die ich aufkrempelte, und ein schwarzes Tanktop mit kleinen Strasssteinen am Ausschnitt. Alle Vorsicht in den Wind schlagend, schlüpfte ich in eine Riemchensandale mit einem sieben Zentimeter hohen Stiletto-Absatz. Der Gips konnte
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