Alice@Hollywood
werden.
Über dem Scheunentor baumelt eine einzelne Glühbirne, gerade hell genug, eine Puppenstube mit ausreichend Licht zu versorgen. Als wir aussteigen, ist alles totenstill. Ich warte auf den obligaten Ruf des Kauzes oder ein Wolfsheulen oder irgendetwas, dass mir sagt, dass das hier ein Film ist.
»Kommt schon. Wir ham 'ne Party.«
Nina weigert sich, die Autotür loszulassen. »Party? Was für eine Party?«
Sacks grinst und fischt mit einer geschickten Handbewegung eine Schrotflinte aus seiner Hängetasche und eine Packung Patronen.
»Pumpgun Party«, ruft er und lädt die Waffe durch.
Irgendwo hab ich mal gelesen, dass man Irren keine Widerworte geben soll. Und schon gar nicht, wenn sie besser bewaffnet sind. Wortlos folgen wir unserem Schlächter zum Schafott. Und das ohne Henkersmahlzeit. Er öffnet ein kleines Türchen, das im Scheunentor eingelassen ist, fuchtelt mit der Flinte rum und fordert uns damit auf, einzutreten und unserer Gutgläubigkeit zum Opfer zu fallen. Freundlich und aufgeschlossen! Alice, du Idiotin! Man kann über unser Land sagen, was man will. In der Eifel ist noch niemand von einem schießwütigen Tramper umgepustet worden.
Kaum haben wir einen Schritt in die dunkle Scheune getan, flammt drinnen das Licht mehrerer Scheinwerfer auf und beleuchtet die Szenerie, die sich als letztes Bild in unsere Netzhäute brennen wird. Etwa fünfundzwanzig Gestalten im College-Alter, alle in ähnlich dümmlichen Kostümen wie unser Killer, bewaffnet mit Bier und Fuselflaschen brüllen wie aus einer Kehle: »Kill the pumpkin !«
Sacks antwortet mit demselben Schlachtruf. Dann stellt er seine Flinte ab und klopft mir auf die Schulter.
»Da hin'nen gib's was zu futtern. Wenn ihr Durs' habt, bedient euch. Is genug da.«
Aus dem Nichts rollt Kurt Cobains kratzige Stimme heran, »Smells like teen spirit«. Sacks mischt sich unter seine Freunde und wir schlottern mit weichen Knien zu einem Tisch. Der biegt sich unter der Last von kalten Steaks, Salaten und Brot.
Ruth küsst mich. »Mein Gott, und ich hab gedacht, der bringt uns um«, stößt sie sichtlich erleichtert hervor. »Wir sollten öfter auf dich hören, Alice. Du hast einfach immer den richtigen Riecher .«
Ich lass das jetzt mal so stehen. Es stellt sich heraus, dass wir in eine Bande radikaler Halloween-Hasser geraten sind. Die treffen sich einmal im Jahr, machen höllisch einen drauf, und als Höhepunkt der Party zerschießen sie ein Kürbisfeld. Das ihnen natürlich nicht gehört. Ihre lächerliche Maskerade ist eine Art Antikostümierung. Einer hat sich irgendwelches indianisches Zeugs umgehängt. Ich weise ihn mit der gebotenen, von Mister Rubinello erlernten Höflichkeit darauf hin, wie bescheuert es ist, sich ausgerechnet in diesem Land als Indianer zu verkleiden. Und dass es bei uns Feste gibt, wo nur die Dümmsten sich mit dieser Einfallslosigkeit zieren. Irgendwie muss ich in meiner Wortwahl aber noch zu direkt gewesen sein. Das Gesicht des Indianers versteinert sich. Sacks hat die Unterhaltung mitgekriegt und schiebt mich dezent beiseite.
»Der is nich verkleidet. Das is 'n In'ianer«, raunt er mir zu. Ich habe den direkten Nachfahren eines bekannten Cheyenne-Chiefs, beleidigt. Ich bin auf dem besten Wege, heute Abend wenigstens noch skalpiert zu werden. Für eine Weile den Rand halten wär wohl das Beste. Ich lasse mich auf einen Strohballen fallen und schaue mich um, ob noch andere Minderheiten darauf warten, von mir brüskiert zu werden. Ein schwarzer Jude wär perfekt. Da gibt's endlos Möglichkeiten. Mensch, Alice. Ich trete nicht in Fettnäpfchen. Ich hab die Dinger erfunden. Meine letzte Rettung ist die Genforschung. Stumm bete ich, dass ein geniales Hirn herausfindet, dass ich nichts dafür kann, weil so was im Erbgut verankert ist.
Nina und Ruth amüsieren sich prächtig. Ich freue mich für die beiden. Sie haben sich schnell von der Vorstellung verabschiedet, von wild gewordenen Kettensägenkillern häppchenweise auf ein größeres Areal verteilt zu werden. Nina unterhält sich mit zwei Mädels, und aus der Tatsache, dass sie sich dabei halb entblößen, ist abzulesen, dass sich das Gespräch um Damenunterwäsche dreht. Oder um Ninas Outing als Lesbe. Ruth tanzt ausgelassen mit einem Typen. Er ist um einiges älter als die übrige Horde und auch nicht ganz so spleenig gekleidet. Er macht eher den Eindruck eines Collegeprofessors, der seine Studenten bei einem groben Scherz beaufsichtigt. Ein kräftiger Kerl mit
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