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Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Titel: Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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Teddy Butt eine Viertelstunde, bevor Alice ihre letzte Schicht vor ihrer vorübergehenden Suspendierung beendet. Joseph hat am Morgen eine Schachtel mit Süßigkeiten in die Küche gestellt und einen Rosenkranz an den Türknauf gehängt. Sie mag es, wenn Joseph Bhatti sich als Mutter versucht, aber sie kann es nicht ertragen, wenn er sie in die Rolle ihrer eigenen Mutter drängt. Es macht ihr nichts aus, einen Tag zu fasten, aber worin liegt der Sinn, mit ein paar hundert Leuten zu singen „Du zahlst keine Gebühren in der Schule des Gekreuzigten“? Vor allem, wenn die meisten von ihnen nie eine Schule von innen gesehen haben.
    Teddy trägt einen gestärkten Shalvar Kamiz und bestickte Schuhe. Er sieht aus wie jemand, der zu einer Verlobungsfeier geht. Alice Bhatti ist nicht so leicht zu überraschen. Teddy hat ihr schmachtende Botschaften geschickt, die er, wie sie vermutet, aus „Die 100 besten Liebeslieder der vergangenen zwanzig Jahre“ abgeschrieben hat, findet jedoch, dass ihm Anerkennung für seine Bemühungen gezollt werden sollte. Über einen Mann, der in Gedanken an dich nach einem Buch greift, solltest du dir auch Gedanken machen. Sie schenkt ihm gelegentlich ein Lächeln und ein paar Lexotanil und nimmt im Gegenzug kleine Aufmerksamkeiten von ihm an, wenn auch mit etwas gequältem Lächeln. Sie haben eine Ebene schicksalsergebener Vertraulichkeit erreicht.
    „Überrasch mich“, sagt sie in gelangweiltem Ton, ohne Teddy auch nur einen Moment lang eines originellen Gedankens für fähig zu halten. Teddy Butts Vorstellungen von der Liebe stammen aus Schlagern, die gerade die Hitlisten bestimmen. Die logistische Seite kennt er vor allem aus den Tierdokumentationen, die er bei National Geographic sieht: Paarungen von Löwen an Seeufern und Grashüpfer, die einander Ständchen bringen und sich den Morgentau von den Flügeln lecken. Mitunter träumt er davon, Alice im Maul zu tragen wie eine Löwin, die ihr Junges in Sicherheit bringt.
    Bitte, nicht noch einen rosa Teddybär, noch eine musikalische Grußkarte, ein Sonderangebot vom Parfümbasar und ganz bestimmt nichts aus der Asservatenkammer des Gentlemen-Korps, betet sie insgeheim. Sie argwöhnt, dass Teddys Geschenkideen aus den gleichen Kanälen stammen, über die er seinen Proteinnachschub bezieht. Andererseits hat sie das Gefühl, seine Lehrerin zu sein und ihn nicht entmutigen zu dürfen. Er ist dabei zu lernen. Immerhin besucht er sie jetzt schon, ohne irgendwelche Beschwerden vorzutäuschen. Und ohne seine Mauser.
    Sie erwartet jeden Moment, dass er sie zu etwas auffordern wird, weiß aber nicht, zu was. Vielleicht wird er sie zum Mittagessen in eines dieser Irani-Cafés einladen, wo die Paare in Nischen hinter Gardinen sitzen. Sie hegt die leichte Befürchtung, dass er sie bitten wird, mit ihm in den Zoo zu gehen, um die beiden neuen jungen Löwen aus Südafrika anzuschauen, von denen er wie besessen ist. Sie weiß noch nicht, was sie antworten wird, hofft aber, dass ihr etwas einfällt, wenn er sie fragt. Und nun ist es so weit.
    „Du musst zuerst die Augen zumachen“, säuselt Teddy mit schmachtendem Blick. Entweder hat er sein Lexotanil mit etwas gemischt oder er ist von seiner Liebe berauscht. Ein schwarzer Schmetterling schwebt aus dem Nichts herbei und tanzt zwischen ihren sich ineinander verfangenden Blicken, bevor er wieder verschwindet. Alice gefällt das samtig schwarze Flattern vor ihrem Gesicht. Sie hat die Vision, in ein Meer aus schwarzen Schmetterlingen einzutauchen. Sie ist fasziniert. Gehorsam schließt sie die Augen. Sobald sie es getan hat, ersehnt sie sich eine richtige Überraschung. Schon immer hat es ihr vor billigem Kleinkram gegraust, deshalb wünscht sie sich nun eine Überraschung von den Ausmaßen eines Öltankers. So groß und so schwer, dass sie davon auf der Straße plattgewalzt werden könnte. Sie will eine Überraschung wie eine Rakete, die ins All geschossen wird. Sie fragt sich, warum sie nicht an Blumen und Pralinen denkt und sich plötzlich nach langen, schweren, schnellen Gegenständen sehnt. Man kann nie vorhersagen, welche Wünsche die Liebe in einem weckt, aber manchmal sind es Dinge, von denen man keine Ahnung hatte, dass man sie sich wünscht. In einem Augenblick wünschst du dir nichts mehr als eine warme Dusche und im nächsten bietest du dem Geliebten die Brust, um ihn darauf urinieren zu lassen. „Ja, überrasch mich“, flüstert sie.
    Teddy ergreift ihre linke Hand, legt sie um seinen rechten

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