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Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Titel: Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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Teddy, aber sie hört es ganz deutlich, trotz des rauschenden Meeres.
    „Hier?“, schreit sie.
    „Nein, nein.“ In beruhigendem Tonfall klärt er das kleine Missverständnis auf. „Da drüben!“ Er zeigt auf den verschwommenen, fernen Umriss eines gigantischen Bootes, das aus den Tiefen des Ozeans aufgetaucht zu sein scheint. „Aber mach ja die Augen nicht auf.“
    Alles was danach geschieht, geschieht genau genommen in diesem Moment. Alice Bhatti hatte sich eine solide, bodenständige Überraschung gewünscht. Doch nach der Fahrt im Motorboot klettern sie eine Leiter hoch, und als sie die Augen aufschlägt, befindet sie sich, statt auf einer festen Straße mit ausgerolltem Teppich oder auf einem weichen Sandstrand auf dem schwankenden Deck eines U-Boots, das in den launischen Wellen des Arabischen Meeres liegt.
    Wer weiß, worauf sie eigentlich gehofft hatte? Vielleicht auf einen Spaziergang am Strand. Sie hätten einen gerösteten Maiskolben gegessen und zugesehen, wie ein dressierter Affe einen Salut abfeuert, während die Wellen ihre Knöchel umspielten. Was sie bekam, war ein improvisierter Heiratsantrag, gefolgt von einer improvisierten Hochzeit mitten im Arabischen Meer. Das hätte sie nie erraten. Die Überraschung war – nun ja – eine Überraschung.
    Von dem, was auf dem U-Boot geschah, gibt es zahlreiche Versionen. Die meisten davon stammen von Alice. Teddy hat nur eine Version, an der er konsequent festhält: Ich habe Freunde bei der Polizei. Die kennen Leute, die Leute bei der Küstenwache kennen, die mit Leuten auf U-Booten zusammenarbeiten. Sie sind wie eine Familie. Als Alice die Augen aufgemacht hat, hat sie vor Entzücken geschrien, aber dann nicht mehr. Es gab Biryani. Sie hat sich einen neuen Namen ausgewählt. Aliya. Nein, es war nicht geplant. Wie soll man denn so etwas planen? Wie es dann kommt, dass ein Imam auf dem U-Boot war, um die Trauung vorzunehmen? Da sieht man mal wieder, wie wenig die Leute über die Marine wissen. Auf U-Booten gibt es immer einen Imam. Alice hat eingewilligt. Sie war es, die gesagt hat, sie würde noch einmal nach Hause nach French Colony gehen und erst in ein paar Tagen zu mir ziehen. Ich konnte warten, bis sie so weit war. Ich hatte es nicht eilig, mit ihr ins Bett zu springen. Ein Mann denkt vielleicht alle neun Sekunden an Frauen, aber er heiratet sie nicht alle.
    Wenn man aufgefordert wird, auf einem U-Boot zu heiraten, bleibt wahrscheinlich wenig Zeit für Freudenschreie. Man muss eine Entscheidung treffen. Oder vielleicht hat man sie durch die weite Fahrt bereits getroffen.
    Sie steigen eine schmale Treppe hinunter. In der Messe befinden sich ein schmaler Tisch und Sitze, auf denen man nur mit dem halben Hintern sitzen kann.
    Alice erwähnte den Aufschrei nie, obwohl ihre Versionen der Geschichte je nach Zuhörern voneinander abwichen. Sie gab nie zu, konvertiert zu sein, und behauptete stets, von Religion sei nie die Rede gewesen. Sie räumte ein, drei Mal „Ja“ gesagt zu haben, war sich aber nicht sicher, die Frage, ob sie Teddy im Austausch für eine ausgesetzte Mitgift von zweiunddreißig Rupien zum Manne nehmen würde, mit Ja beantwortet zu haben, oder ob sie Ja gesagt hatte, als jemand sie in einem Moment der Verwirrung mit Aliya ansprach. In manchen ihrer Fassungen hatte sie eine halbe Kalima gebetet, womit sie natürlich den geschmacklosen Witz provozierte, sie sei also vielleicht nur eine halbe Muslima geworden. Nur bei einer Sache blieb sie konsequent: Dutzende von Seeleuten in weißen Shalvar Kamiz seien auf dem U-Boot gewesen und hätten sie Bhabhi genannt, und drei Möwen am Himmel hätten geschrien wie alte Freunde, die sie zu Verstand bringen und die Hochzeit verhindern wollten.
    Endlose Fragen wurden ihr gestellt: „Wie sieht denn ein U-Boot von innen aus? Wo werden die Torpedos gelagert? Stimmt es, dass die jüngeren Matrosen im Stehen schlafen müssen?“ Alice ärgerte sich darüber und fand, die Leute interessierten sich nur für Belanglosigkeiten. „Von außen sah es aus wie ein toter Aal und innen stank es nach Seemannsfürzen“, erwiderte sie dann.
    Nie jedoch erfuhr das junge Paar, dass der sanfte Duft von Alice Bhattis Jasmin-Armband sich noch tagelang im U-Boot hielt. Und dass es mitunter zu hitzigen Auseinandersetzungen, einmal sogar zu einer Prügelei über die genaue Farbe ihres Lippenstifts kam. Sie sei sehr hellhäutig für eine Christin, behauptete ein Kadett. Es lag nahe, dass Gerüchte darüber entstanden, wie

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