Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt
Unsinn, dass Er Tote zum Leben erwecken kann. Wahrscheinlich gab es tausend prosaische, wissenschaftliche Erklärungen: Vielleicht hatte eine Luftblase etwas blockiert, die Lungentätigkeit verzögert eingesetzt oder das Herz sich noch in einem Schockzustand befunden. Die Rettung des Babys war ebenso wenig Sein Werk wie das des Old Doctor. Alice weiß, was Glaube ist. Er ist die immer gleiche, uralte Furcht vor dem Tod – nur im Partykleid. Und was für ein schäbiges Wunder soll das sein? Er hat das Baby erweckt und ihm die Mutter genommen. Was ist das für ein Universum, das Er lenkt? Eine Tauschbörse? Wo war Er denn, als sie sich auf der Flucht vor Seniors Männern auf der Charya-Station verstecken musste? Wahrscheinlich in Seiner Mittagspause. Oder beschäftigt mit der Charya-Welt, die Er geschaffen hat.
Er hat sie schon einmal heimgesucht. Sie war damals in ihrem ersten Jahr an der Schwesternschule. Diese Heimsuchung hatte damit geendet, dass sie wegen ordnungswidrigem Verhalten und schwerer Körperverletzung beschuldigt wurde. Damals war sie wahnsinnig in Ihn verliebt und zitierte unablässig Seine Worte: „Arglistig mehr als alles ist das Herz und böse für die Ewigkeit.“ Das war nicht nur ihr Lieblingsgebet, sondern auch ihre übliche Antwort auf eine Begrüßung. Auch ihre Prüfungen begann und beschloss sie stets mit diesem Satz.
Mit ihrer Liebe zu Ihm kam sie sogar einige Tage in die Schlagzeilen. Der Catholic Courier widmete ihr eine Titelgeschichte – „Kein Erbarmen für Barmherzige Schwestern“ –, und selbst in der Pakistan Times fanden sich unter der Überschrift „Pattsituation in der Schwesternschule“ ein paar Zeilen auf der letzten Seite.
Mit achtzehn Jahren pflegte Alice Bhatti zu unterschreiben, indem sie das J von Joseph in ihrem Namen mit einem Querbalken versah, sodass ein Kreuz daraus wurde. Ja, sie liebte Yasu. Das wusste sie genau, denn sooft jemand Seinen Namen nannte, sie diesen nur las oder ein Wort hörte, das sich auf ihn reimte, errötete sie heiß und ihr Herz hämmerte, dass sie die Augen schließen und den Herrn preisen musste, so laut sie konnte. Befand sie sich gerade in einer Situation, in der sie die Stimme nicht erheben, Seinen Namen nicht öffentlich aussprechen konnte, hätte sie am liebsten jemandem ins Gesicht geschlagen. Sie glaubte nicht nur an den Heiligen Geist, Er gehörte ihr, und sie war nicht willens, Ihn zu teilen. Deshalb weigerte sie sich, sich am Erwerb eines Yasu-Posters zu beteiligen, für das drei andere Mädchen aus ihrem Schlafsaal zusammenlegten. „Wo ist der Unterschied zwischen euch und denen, die Poster von Wham! an der Wand haben? Wann hat Yasu je gesagt, er möchte eine laminierte Deko zu fünfzig Rupien sein? Klebt Ihn euch ins Herz, wenn ihr könnt.“
Sie war nicht immer so gewesen. Nachdem Er ihre Mutter zu sich genommen hatte, hatte sie Ihn vier Jahre lang in jeder Sonntagsmesse bekriegt. Sie ging in ihren besten Sachen zur Messe, hatte aber vorher nicht geduscht. Manchmal holte sie sogar extra schmutzige Sachen aus dem Wäschekorb, um sie zur Kirche anzuziehen. Im Gottesdienst benahm sie sich wie alle anderen, aber wenn das Lied „Krönt Ihn mit vielen Kronen“ gesungen wurde, formten ihre Lippen nur Kauderwelsch, und während Hochwürden Philip predigte, erzählte sie sich alle schmutzigen Witze, die sie kannte. Da sie jedoch nicht viele kannte, blieb ihr zum Schluss nichts anderes übrig, als eine Liste von Wörtern zusammenzustellen, die sie für schmutzig hielt. Wenn die Gemeinde sang „O Haupt voll Blut und Wunden“, murmelte sie: Kacke, Pisse, Musla, Protestant, Goanese. Das war wirklich nicht einfach, wenn man von ein paar hundert Sonntagsfanatikern umgeben war, die das Blut ihres Herrn priesen. Doch Alice war so fest entschlossen, ihre Missachtung zum Ausdruck zu bringen, Sein Haus zu beschmutzen, Ihn dafür zu bestrafen, dass Er ihr die Mutter genommen hatte, dass sie furchtlos weiterkämpfte.
Doch eines Tages hätte Er ihr fast auch den Vater genommen. Und zwar auf eine Weise, der Er sich besonders gern bei Gläubigen bediente, die in der Kanalreinigung tätig waren. Als man Joseph Bhatti aufgab, nachdem er zehn Stunden in einem Abwasserkanal gefangen war und zwei seiner Kollegen, deren Lungen durch das Einatmen von Schwefelwasserstoff kollabiert waren, tot geborgen worden waren, flehte Alice Gott um Vergebung an, betete, nicht allein zurückzubleiben. Sie klopfte an Hochwürden Philips Tür und beichtete ihre
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