Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
Vom Netzwerk:
hat­te ich nicht ein­mal drei­ßig Leu­te ge­se­hen und viel­leicht mit der Hälf­te von ih­nen ge­spro­chen. Noch heu­te den­ke ich voll Sehn­sucht an die­se Ein­sam­keit zu­rück, aber jetzt träu­me ich des Nachts von ei­ner ver­wüs­te­ten Stadt, über de­ren Ein­gang in grü­nen schmie­de­ei­ser­nen Let­tern »Pa­ra­dies« ge­schrie­ben steht. Kein Wun­der, daß man Spa schließ­lich auch zu ei­nem Plas­ti­strand mach­te, ei­ner blas­sen Imi­ta­ti­on des Ori­gi­nals, aber sorg­fäl­tig ge­plant, voll leuch­ten­der Far­ben und Glanz und mit mehr Lu­xus, als der zi­vi­li­sier­te Mensch sich wünscht. Ei­ne über­wäl­ti­gen­de Lis­te von Ver­gnü­gun­gen wird ei­nem in al­pha­be­ti­scher Rei­hen­fol­ge an­ge­bo­ten, so en­zy­klo­pä­disch ist sie, und das häu­fi­ge Rei­ben von Haut ge­gen Haut macht den Auf­ent­halt dort zu wirk­li­chen Fe­ri­en.
    Ich schlug vor, den Rap­zug (die of­fi­zi­el­le und nur ge­le­gent­lich be­nutz­te Be­zeich­nung für das Ra­pid-Tran­sit-Über­land-Sys­tem) statt eins der bil­li­ge­ren, schnel­le­ren und zweck­dien­li­che­ren Ver­kehrs­mit­tel zu neh­men. Mr. Rey­nals er­klär­te sich da­mit ein­ver­stan­den. An­schei­nend war er mit al­lem ein­ver­stan­den. Viel­leicht gab er mir nach, weil mir mein ro­man­ti­sches Be­dürf­nis, an al­len ster­ben­den Küns­ten teil­zu­ha­ben, zu deut­lich an­zu­mer­ken war.
    Es gab Leu­te, die Rap­zü­ge in ih­rem her­un­ter­ge­kom­me­nen und gar nicht mehr ra­pi­den Zu­stand be­vor­zug­ten. Wenn man nicht in der Stim­mung war, schnell an einen an­de­ren Ort zu ge­lan­gen, bo­ten sie ei­nem ei­ne Fahrt in al­ler Mu­ße, und das oh­ne Un­be­quem­lich­kei­ten, oh­ne Gas­ver­gif­tung und oh­ne Angst. Mit Rap­zü­gen konn­te man die meis­ten wich­ti­gen Or­te des ame­ri­ka­ni­schen Kon­tin­ents er­rei­chen. Wir le­ben in ei­nem Zeit­al­ter, das den Fort­schritt an den Stol­pe­rern mißt, die in der Rich­tung nach vorn ge­macht wer­den, und da soll­te man es viel­leicht nicht so tra­gisch neh­men, daß die Tun­nel, die das gan­ze Land un­ter­mi­nie­ren, auf­ge­ge­ben wur­den. Aber ich fin­de es doch be­dau­er­lich, daß man die Rap­zü­ge zu­guns­ten un­ter­ir­di­scher Ein­kaufs­zen­tren und Ver­brau­cher­märk­te ab­ge­schafft hat.
    Ich weiß noch, daß ich, als wir vor dem Dreh­kreuz an­stan­den, dar­über nach­dach­te, welch ver­zwei­fel­tes Pro­blem die Über­völ­ke­rung vor zwei Jahr­hun­der­ten ge­we­sen ist. Da­mals sag­ten Pro­phe­ten den un­aus­weich­li­chen Un­ter­gang laut Mal­thus vor­aus. Doch statt an­ge­sichts der of­fen­sicht­li­chen Ent­wick­lung klein bei­zu­ge­ben, hat­ten wir sie po­si­tiv ge­stal­tet.
    Wir hat­ten uns nach au­ßen und un­ten aus­ge­dehnt, nahr­haf­te Le­bens­mit­tel-Er­satz­stof­fe er­fun­den und Land wie­der ur­bar ge­macht. Wir hat­ten neu­en Raum in den auf­ge­ge­be­nen Rap­zug-Tun­neln und un­ter­ir­di­schen Höh­len ge­won­nen. Die Ge­bäu­de bohr­ten sich tiefer in die Er­de und stie­gen hö­her zum Him­mel em­por. Jetzt war das Pen­del zur an­de­ren Sei­te aus­ge­schla­gen. Lau­te Ru­fe for­der­ten stär­ke­re Ver­meh­rung, um den Pla­ne­ten mit ei­ner Zahl an Men­schen zu über­schwem­men, die den zu ver­ant­wor­ten­den Höchst­wert der al­ten Pro­phe­ten über­stieg. Denn wir sa­hen uns mit ei­nem Be­völ­ke­rungs­pro­blem an­de­rer Art kon­fron­tiert. Al­le un­se­re ge­ne­ti­schen For­schun­gen und Ex­pe­ri­men­te konn­ten es nicht er­zwin­gen, daß mehr Kin­der ge­bo­ren wur­den, de­ren Schick­sal es war, bei den Tests aus­ge­mus­tert zu wer­den und ih­re Kör­per zur Ver­fü­gung stel­len zu müs­sen. Warum zeugt ihr nicht mehr Ba­bys? schrie die ver­zwei­fel­te Ge­sell­schaft den all­zu le­thar­gi­schen aus­ge­mus­ter­ten El­tern zu. Nicht nur lag die Ge­bur­ten­ra­te zu nied­rig, die aus­ge­mus­ter­ten El­tern lie­fer­ten auch nicht ge­nug un­ter­qua­li­fi­zier­te Ba­bys, und das trotz der ent­spre­chen­den Ge­ne. Sie fuh­ren fort, zur Klas­se der Pri­vi­le­gier­ten bei­zu­tra­gen und nicht ge­nug We­sen ih­rer ei­ge­nen Art in die Welt zu set­zen.

Weitere Kostenlose Bücher