Alicia
für sich sein konnten; aber einen geschützten Platz fand er nicht. Als er dann seine Hand unter ihr Knie schob, zischte sie ihn warnend an. Schließlich gab er seufzend auf. Sie kuschelte sich an ihn und war im nächsten Moment eingeschlafen.
Doch Stephen fand keinen Schlaf. Er hatte zu lange im Freien genächtigt, und nun hatte er Platzangst zwischen den hohen Stein wänden. Selbst Rab knurrte befremdet, weil er sich ruhelos hin-und herwälzte. Und dann fiel ihm wieder Hughs hinterlistiges Verhalten bei der Kaufmannstochter ein. Nein, er wollte seinen Plan so ausführen, wie er ihn sich ursprünglich zurechtgelegt hatte. Trotz Alicias Warnung sollte Hugh erfahren, daß er in seinem Haus gewesen war.
Er schlüpfte leise unter Alicias Plaid hervor, befahl Rab, auf Alicia aufzupassen, und ging zur Osttür der großen Halle.
Als Kinder hatten er und seine Geschwister den Herrensitz der Lascos oft besucht. Eines Tages, als sie noch miteinander spielten, hatten Hugh und er einen Geheimgang entdeckt, der in den Oberstock führte. Sie bibberten förmlich vor Aufregung, als sie die Tür am anderen Ende des Gangs erreichten. Sie hatten sich gewundert, daß die Tür so gut geölt war, und waren in das Zimmer gelangt, wo sie hinter einem schweren Wandvorhang standen. Sie hatten Geräusche gehört, und da war ihre Neugierde größer gewesen als ihre Angst. Hughs Großvater war mit einer blutjungen Magd im Bett gewesen, und er schien eine großartige Nacht mit ihr zu verleben. Doch der Großvater hatte es keineswegs als Spaß aufgefaßt, daß zwei siebenjährige Jungen sein Treiben aus nächster Nähe beobachteten. Heute noch zuckte Stephen zusammen, wenn er an die Tracht Prügel dachte, die er ihnen beiden verabfolgte. Er versprach ihnen noch Schlimmeres, wenn er hören sollte, daß sie das Geheimnis des Geheimgangs jemandem preisgaben. Vor vier Jahren, als der alte Mann starb, weinte Stephen bei dessen Beerdigung. Stephen hoffte, daß er auch noch in diesem Alter junge Mädchen zufriedenzustellen vermochte. Er lachte leise, dankbar, daß Alicia ihm nicht seine Gedanken an den Augen ablesen konnte.
Er schlüpfte in der Vorhalle hinter einen Wandschirm. Dann holte er sein Messer aus der Scheide und löste die Leinenverkleidung hinter der Fensterbank. Er mußte den Arm durch ein dichtes Gewebe aus Spinnenfäden stecken, ehe er den Umriß der Geheimtreppe zu erkennen vermochte. Dann, als er durch die Öffnung gekrochen war, zog er die Verkleidung wieder hinter sich an die Wand.
Seine Füße huschten über die Stufen. Spinnweben wickelten sich um seinen Kopf. Als Hughs Großvater noch lebte, war diese Treppe regelmäßig gesäubert worden. Da Hugh jedoch Junggeselle war, hatte er wohl keine Veranlassung, seine amourösen Abenteuer vor fremden Augen zu verbergen.
Die Tür am Kopfende der Treppe öffnete sich mit einem leisen Knarren. Eine Kerze brannte am Fußende des Bettes. Stephen Schelte über diese außerordentlich glückliche Fügung. Hugh lag schlafend im Bett.
Selbst als Kind wollte er nie unbeaufsichtigt bleiben. Als fünfjähriger wäre er fast von Räubern entführt worden. Er sprach selten darüber, ging seither jedoch nirgendwohin, ohne sich von einem Leibwächter begleiten zu lassen. Wenn er am Morgen erwachte und ein Messer neben sich im Kopfkissen fand, war das eine gelungene Revanche für seine Heimtücke mit Margaret.
Stephen wickelte ein Stück seines Plaids um den Messergriff, heftete die Kokarde der MacArrans daran und ließ das Messer neben Sir Hughs Kopf auf das Kissen liegen. Dann wandte er sich mit einem breiten Grinsen wieder dem Wandteppich zu.
»Packt ihn! « rief Hughs tiefe Stimme hinter ihm.
Vier Männer sprangen aus den Ecken des Zimmers hervor. Er tauchte unter dem ersten hinweg und schmetterte dem zweiten die Faust ins Gesicht. Die beiden Männer taumelten rückwärts, und Stephens Reaktionen waren den anderen beiden Wachen ebenfalls zu schnell. Er war schon an der Geheimtür, als er die Schwertspitze im Nacken fühlte.
»Sehr gut! « sagte Hugh voller Bewunderung. »Ich merke, du hast auch in Schottland nicht vergessen, dich im Kriegshandwerk zu üben. « Hugh zog sein Schwert zurück, damit Stephen sich umdrehen konnte.
Hugh war voll angekleidet. Er drückte sein Schwert gegen Stephens Hals und gab den Wächtern ein Zeichen, sich neben Stephen aufzubauen. Dann nahm er das Messer vom Kopfkissen. »Das Zeichen der MacArran, nicht wahr? « Er wechselte das Messer von der Rechten in die
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