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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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erbaut war, stammte aus der Umgebung und war nicht so hart wie der Marmor, mit dem man die unteren Stockwerke ausgestattet hatte. Bailic saß unruhig auf der obersten Stufe, den Rücken ans Geländer gelehnt. Vielleicht sollte er den Versuch aufgeben, ihre Gemächer noch heute Vormittag zu durchsuchen. Doch dort drin musste irgendetwas sein, das ihm enthüllen würde, wer von einem Bewahrer abstammte, und die beiden mussten sich bald um das Mittagsmahl kümmern.
    Er rutschte eine Stufe hinunter und zog seinen Fuß aus dem wandernden Streifen Sonnenlicht. Gereizt sandte er einen dünnen Gedankenfaden den langen Flur am Fuß der Treppe entlang, in dem sich die Gemächer der Bewahrer befanden, und suchte nach seinen beiden Gästen. Sie waren schwer zu finden, da sie sich direkt im Kraftzentrum der Feste aufhielten. Denn obgleich die Meister sie erbaut hatten, waren es die Bewahrer gewesen, die sie vor allem bewohnt und dadurch zu ihrer Festung gemacht hatten. Endlich entdeckte er den Hauch einer Präsenz. Er konzentrierte sich darauf und ortete die beiden – noch immer im Zimmer des Mädchens.
    Ein leiser, von Lachen begleiteter Scherz brach die Stille, und er richtete sich auf. Er hätte eigentlich gar keine geistige Durchsuchung der Feste gebraucht, um sie zu finden, so laut war ihre Auseinandersetzung. Bailic schnappte ein paar Worte auf und lächelte, überzeugt, dass er nicht mehr lange würde warten müssen. Wenn das Mädchen seinen Willen bekam, würde es Karottensuppe zum Abendessen geben. Wenn sich der Pfeifer durchsetzte, Kartoffeln.
    Bailic atmete rasch ein und stieß langsam den Atem aus, um sich zu beruhigen. Er war es gewohnt, zu warten, doch auf zwei solche Dummköpfe warten zu müssen ging ihm auf die Nerven. Er gab seiner Zappeligkeit nach und betupfte die hässliche Schnittwunde an seiner Wange mit einem Tuch. Obwohl schon fast ein halber Tag vergangen war, seit er den Peitschenhieb bekommen hatte, blutete und nässte sie immer noch. Raku-Wunden waren hartnäckig. Sie würde vermutlich nicht vor dem Frühling verheilen. Die Vorstellung, eine weitere Narbe zu tragen, die Talo-Toecan ihm geschlagen hatte, ärgerte ihn fürchterlich.
    Der Lärm auf dem Flur wurde lauter. Bailic steckte das Tuch ein und erhob sich. Er warf einen Blick nach oben und fragte sich, ob er weiter hinaufgehen und sich von der Treppe verbergen lassen sollte, doch mit schmalen Augen entschied er sich dagegen. Hier würden sie ihn nicht sehen, außer sie gingen die Treppe ein Stück hinauf, und das hatte er ihnen verboten. Außerdem war dies seine Feste. Er konnte sich aufhalten, wo es ihm beliebte.
    Die Stimme des Mädchens kam immer näher, und Bailic zupfte seine Weste zurecht und strich die Ärmel glatt. Sie gingen um die Ecke und dann die Treppe hinab. Ihr Geschwätz wurde vom Lachen des Tiefländers unterbrochen, der sie sanft neckte. Langsam verklangen ihre Stimmen. Doch Bailic verharrte und lauschte, bis selbst die Erinnerung an ihre Stimmen verflogen war.
    »Gut«, flüsterte er und glitt wie ein Geist die Treppe hinab. Er hätte schon vor langer Zeit den Bann von Mesons Zimmer nehmen sollen. Doch er hatte keinen Grund dazu gehabt. Er wusste, dass das Buch nicht dort drin war. Meson hatte den Wohnflur der Bewahrer an seinem letzten Tag auf Erden gar nicht betreten.
    Einigermaßen sicher, dass sie nicht allzu bald zurückkehren würden, ging er zielstrebig den Flur entlang zu Mesons altem Zimmer. Das Blut rauschte Bailic in den Ohren, und er ärgerte sich über sich selbst. Dieser geringfügige Diebstahl von Wissen war nichts im Vergleich zu dem, was er seinen Bewahrer-Gefährten in der Vergangenheit angetan hatte. Er war wohl schon zu lange allein hier. Sein Schritt wurde verhalten, als er sich der letzten Tür näherte. Er blickte rasch hinter sich und sammelte sich dann. Das Zimmer des Pfeifers würde er sich für später aufheben.
    Bailic streckte die Hand aus und stieß die Tür auf. Lautlos schwang sie in das Zimmer des Mädchens hinein. Der Bann lag in der Schwelle, nicht in der Tür. Diese Regel war ihnen eingebläut worden, der Navigator wusste, warum. Bailic spähte hinein und stellte fest, dass das Zimmer noch fast genauso aussah wie damals, als es Mesons gewesen war. Die Vorhänge waren offen und das Feuer ordentlich mit Asche bedeckt. Einer der beiden Sessel stand seiner Meinung nach gefährlich dicht vor dem Kamin. Nachdem Bailic sich vergewissert hatte, dass der Vogel des Mädchens nicht hier drin war,

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