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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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kannst meinen haben.« Sie verbarg ihr Gesicht und wandte sich ab.
    Strell spürte, wie sich bei der bloßen Vorstellung vor Ekel seine Lippen kräuselten. Kein Wunder, dass er den merkwürdigen Stil ihres Hutes nicht erkannt hatte. Es war ein Bauernhut . Strell behielt ihren bösartigen Vogel im Auge und legte langsam seinen Mantel ab. Der sah nicht ganz so schlimm aus, war aber ebenfalls übel zugerichtet. Von der linken Schulter lief ein hässlicher Riss über den halben Rücken. Kratzer verunzierten das dunkle Leder an Schultern und Ärmeln wie Risse in frischem Eis. Wütend schleuderte Strell seinen Mantel zu Boden. Der Hut war alt, der Mantel nagelneu. Er war obendrein besonders teuer gewesen, da er genau nach Strells Vorgaben angefertigt worden war, nicht nach denen des Schneiders.
    »Ich nähe ihn wieder zusammen«, hörte er Alissas gedämpfte Worte. Sie barg das Gesicht immer noch in den Händen, und ihre Schultern zuckten.
    Typisch, dachte Strell. Er war zerkratzt und blutig gehackt, und ihr fiel nichts Besseres ein, als zu weinen. Nun, er würde ihr jedenfalls nicht den Kopf tätscheln und behaupten, es sei schon gut, denn das war es nicht.
    Er nahm eines der Tücher, mit denen er sonst sein Instrument reinigte, und goss kaltes Wasser aus seinem eigenen Schlauch darauf. Er würde sie nicht darum bitten, das warme Wasser in ihrer Schüssel benutzen zu dürfen, um damit die Kratzer an seinen Schultern zu säubern. Er konnte nichts dafür, dachte er und wrang zornig seinen Lappen aus. Dieses schwachköpfige Bauernmädchen war an allem schuld. Konnte nicht mal einen winzigen Vogel kontrollieren. Kralle nannte sie das Biest. Strell schnaubte. Zumindest den Namen hatte sie richtig gewählt.
    Strell zog sein Hemd aus und warf es beiseite, ohne sich darum zu kümmern, ob er damit den bösartigen Raubvogel gegen sich aufbrachte. Er warf einen finsteren Blick über das Feuer hinweg. Der Vogel wirkte eigenartig friedvoll, wenn man bedachte, dass seine Herrin sich nun ihren Hut über den Kopf gezogen hatte und sich vor und zurück wiegte. Nein, dachte er mürrisch, das war ja jetzt sein Hut. Zu Asche wollte er verbrannt sein – was, wenn jemand, der ihn kannte, ihn mit einem Bauernhut herumlaufen sah?
    Strells Augen wurden schmal, und er betrachtete das Mädchen genauer. Alissa weinte nicht. Sie lachte! »Das ist zu viel!«, explodierte er.
    Der Vogel gab ein erschrockenes Piepsen von sich, blieb aber, wo er war.
    »Es tut mir leid«, japste Alissa, in deren Augen Tränen schimmerten. »Kralle ist ein guter Vogel. So etwas hat sie noch nie gemacht.« Sie lachte, versuchte es zu unterdrücken und versagte kläglich. »Du hast so komisch ausgesehen. Hast da gehockt, mit den Armen über dem Kopf, als ob …« Damit brach sie zusammen und kicherte, bis ihr die Tränen über die Wangen liefen.
    Strell setzte sich hin und betupfte die Kratzer an seinen Handgelenken und in seinem Nacken mit Wasser; er wollte nur noch fort von hier. Aber wohin? Außerdem weigerte er sich, irgendetwas zu tun, das ihr den Eindruck vermitteln könnte, dass er die Schuld für diesen Zwischenfall auf sich nahm.
    Von der anderen Seite des Feuers war ein letztes, glucksendes Lachen zu hören, und dann warf Alissa ihm einen kleinen Steintiegel zu. Mit einem dumpfen Aufprall landete er auf seinem ruinierten Mantel. Strell ignorierte ihn. »Ich habe doch gesagt, dass es mir leidtut«, kicherte sie. »Du musst mich ja nicht mögen. Ich weiß nur zu gut, was Tiefländer von meinesgleichen halten, aber diese Kratzer werden sich entzünden, wenn du das nicht aufträgst.«
    Strell nahm den Tiegel mit finsterer Miene und bemerkte mit geübtem Blick, dass er genauso fein gearbeitet war wie die Schüssel. Er schnupperte misstrauisch am Inhalt, konnte aber nicht riechen, was die cremige weiße Salbe enthalten mochte. Vermutlich irgendein Volksheilmittelchen, dachte er herablassend. Aber das war besser als nichts, also tupfte er das Zeug auf seine Kratzer.
    Sein zweites Hemd war noch nicht gewaschen, und er weigerte sich, es anzuziehen. Deshalb musste er sich damit begnügen, sich in seinen Mantel und die Decke zu wickeln. Sorgsam behielt er den Vogel im Auge, beugte sich vor und stellte den Tiegel neben das schweigende Mädchen. Dann zog er sich auf seine Seite des Lagers zurück und versank in kaltem Schweigen.
    Das Feuer knackte und knisterte, und wie in stillschweigender Übereinkunft ließen sie es bis auf die Glut herabbrennen. Alissa krümelte etwas in

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