Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
Vom Netzwerk:
ungehobelt, ohne Strümpfe herumzulaufen. Er selbst besaß drei Paar.
    »Dieser hier?«, fragte er, entschlossen, die Grenzen des Anstands nicht noch einmal zu übertreten.
    »Bitte«, sagte sie lächelnd. Zumindest hielt Strell diesen Ausdruck für ein Lächeln – es hätte aber ebenso gut ein Zähnefletschen sein können. Es war wirklich dunkel hier unten, und so kalt!
    Sie stieß zischend den Atem durch die zusammengebissenen Zähne aus, als er ihren Fuß bewegte. »Entschuldigung«, murmelte er. Er war kein Heiler, aber er hatte schon oft genug mit Zerrungen und Verrenkungen zu tun gehabt und kannte sich aus. Leicht strich er mit den Fingern über den geschwollenen Knöchel. »Es wäre besser gewesen, du hättest den Stiefel angelassen, aber da er nun schon einmal ausgezogen ist, sollten wir lieber herausfinden, ob der Knöchel gebrochen ist, ehe ich dich bewege. Wenn er nur verstaucht ist, müsstest du in drei, vier Tagen wieder laufen können.«
    Alissas Gesicht wirkte verkniffen. Als sie zögernd nickte, senkte er den Blick und überprüfte mit festem Druck Knochen und Gewebe. Er blickte wieder auf, als sie die Augen schloss und den Kopf mit einem dumpfen Schlag gegen den Felsen lehnte. Strell spürte, wie seine Besorgnis nachließ, als er zu dem Schluss kam, dass der Knöchel nur verstaucht war. »Nichts gebrochen«, erklärte er fröhlich und blinzelte dann überrascht. Alissa hatte ihn nicht gehört. Sie war in Ohnmacht gefallen!
    »Umso besser«, flüsterte er, stand auf und blickte auf sie hinab. »Es würde dir nämlich nicht gefallen, wie ich dich hier herausschaffen werde.«
    Er hängte sich den Wasserschlauch über die Schulter und steckte ihren Stiefel in die Manteltasche. Die Wühlmaus ließ er lieber liegen. Der Rand der Schlucht war leicht erklommen, und Strell legte ihre Sachen oben ab, bevor er vorsichtig wieder hinabstieg und sich das bewusstlose Mädchen über die Schultern legte. Ihr seltsamer Hut fiel herunter, und er fing ihn auf. Stirnrunzelnd betrachtete er die breite Krempe und das rote Büschel Fell, das im Hutband steckte. Das war kein Tiefland-Hut, und sie trug das Haar so kurz, wie es im Hochland üblich war.
    Es war zu dunkel, als dass er mehr hätte erkennen können, also betete er stumm, sie möge bewusstlos bleiben, und machte sich keuchend und prustend ob des zusätzlichen Gewichts daran, aus der Schlucht zu klettern. Zu seiner großen Erleichterung wachte sie nicht auf. Er blieb nicht stehen, um ihren Wasserschlauch und den Stiefel aufzuheben, sondern trug Alissa zu ihrem Lager und legte sie sacht am Feuer nieder. Neugierig hockte er sich neben sie, nun nicht mehr überzeugt, dass sie aus dem Tiefland stammte.
    Helles Haar fiel ungewöhnlich kurz über weit auseinanderstehende Augen. Darunter ragte eine zierliche Stupsnase hervor. Sie war dünn und drahtig und würde ihm wohl bis ans Kinn reichen, vielleicht noch höher. Ihre Stimme hatte sie beinahe kindlich erscheinen lassen, doch nun, im Schein des Feuers, erkannte Strell, dass sie wohl fast so alt sein musste wie er.
    Sie trug Reisekleidung. Ein Schmutzfleck prangte an ihrem Kinn, und er unterdrückte den Impuls, ihn wegzuwischen. Ihr Teint war dunkel, doch die nackte Ferse, die aus einem Loch in ihrem Strumpf hervorblitzte, war deutlich heller. Strell biss sich auf die Unterlippe, denn es war ihm unangenehm, nicht recht zu wissen, mit was für einem Menschen er es zu tun hatte. Sie hatte das kurze, helle Haar einer Bäuerin, doch ihr Teint und ihre Größe ähnelten eher ihm selbst. Wo auch immer sie herkommen mochte, von der Küste stammte sie jedenfalls nicht; ihr Kiefer war nicht kantig genug, und ihr Haar war nicht so voll und üppig gewellt wie das der Küstenbewohner.
    Plötzlich war Strell diese Musterung peinlich. Er legte ihren Wanderstab auf ihre Seite des Feuers und ging zurück in die Dunkelheit, um ihre Sachen zu holen. Als er wiederkam, saß sie aufrecht und plagte sich mit den Knoten ab, mit denen ihre Decke an ihrem Bündel befestigt war.
    »Ah«, seufzte sie, als sich der letzte Knoten löste, »das wird helfen.« Sie warf ihm einen raschen Blick zu, schüttelte ihre Decke aus und zog sie sich wie ein Zelt über den Kopf, so dass nur noch ihre Nase herausschaute. »Danke, dass du mich aus diesem Loch geholt hast«, sagte sie und rückte dichter ans Feuer heran. »Es tut mir leid, dass ich so barsch zu dir war, aber ich dachte schon, ich müsste eine weitere Nacht da unten verbringen.«
    »Nicht der Rede

Weitere Kostenlose Bücher