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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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Das Tiefland erzeugte wiederum alles, von Nachttöpfen bis hin zu Decken. Dann tauschten sie und zogen einander dabei so über den Tisch, dass am Ende niemand genug von irgendetwas bekam. Ihre Mutter, überlegte Alissa, behandelte Nahrungsmittel beinahe ehrfürchtig. Alissa hatte immer geglaubt, das liege daran, dass sie nicht kochen konnte. Nun fragte sie sich, ob es daran lag, dass ihre Mutter als Kind nicht genug davon gehabt hatte.
    In Gedanken versunken, schenkte Alissa zwei Becher Tee ein. Strell aß seine Schüssel leer und dann, ohne zu fragen, auch ihre. In nachdenklichem Schweigen saßen sie da, und jeder behielt seine Gedanken sorgsam für sich. Strell griff nach seinem Becher. Er stellte ihn wieder hin, ohne daraus getrunken zu haben, und wischte etwas vom Ärmel seines Mantels. Alissa blickte erwartungsvoll auf, denn anscheinend wollte er etwas sagen.
    »Äh … Alissa?«, begann er. »Ich – hm – möchte mich dafür entschuldigen, was ich neulich über deine Herkunft gesagt habe.« Er ließ den Blick sinken, und Alissa sah ihm an, dass er so etwas nicht oft tat. »Ich habe aus Unwissenheit gesprochen, und ich würde mich schämen, es nicht zugeben zu können, wenn ich mich geirrt habe. Es ist nur … Wenn man etwas lange genug zu hören bekommt, nimmt man es irgendwann als die Wahrheit hin.«
    Alissas Miene wurde hart, und sie holte Luft, um ihm ein paar passende Worte an den Kopf zu werfen.
    »Ich bin noch nicht fertig«, kam er ihr zuvor, und mit gewaltiger Anstrengung gelang es ihr, ihre Zunge im Zaum zu halten.
    Er stocherte mit gesenktem Blick im Feuer herum. »Mein Vater hatte die bei uns übliche schlechte Meinung über Leute aus den Hügeln, und er hat gründlich dafür gesorgt, dass seine Kinder sie auch übernahmen.«
    Alissa, die sich dieser Sitte nur allzu bewusst war, nickte steif. Im Hochland waren die Leute genauso schlimm; sie flößten ihren Kindern einen Hass ein, der erst kurz vor dem Ausbruch echter Gewalttätigkeit haltmachte.
    Strell fing ihren Blick auf und sah ihr beängstigend tief in die Augen. »Alles, was du über das Tiefland gesagt hast, ist wahr. Wir sind eingebildet wegen unserer eigenen Fähigkeiten und wissen nichts über die euren. Ich bedaure aufrichtig, was ich zu dir gesagt habe. Ich wusste es nicht besser. Ich habe noch nie jemanden aus dem … na ja … Können wir einfach noch mal von vorn anfangen?«
    Alissa schlug die Augen nieder, und ihr Zorn verflog in einer Wolke von Scham. »Weißt du, Strell«, sagte sie, von seiner Aufrichtigkeit selbst dazu getrieben, »deine Überzeugung, dass man im Hügelland nicht viel kann außer Land bestellen und Vieh halten, ist gar nicht so verkehrt.« Sie blickte auf und sah seine überraschte Miene. »Ich kann nur deshalb nähen, weil meine Mutter darauf bestanden hat, dass ich es lerne. Und dass ich lerne, wie man eine Schüssel und so ziemlich alles andere herstellt. Mein Papa hat mich lesen gelehrt und mir beigebracht, wie man Felder bestellt und Schafe züchtet, oder vielmehr, er hat es meiner Mutter beigebracht, die es dann mir beigebracht hat. Es besteht kein Zweifel daran, dass ich eine Bauerntochter aus dem Hochland bin, aber ich bin eben außerdem die Tochter einer Tiefländerin.« Sie schluckte schwer und zwang sich zu schmerzhafter Offenheit. »Es ist offensichtlich, dass ich ein … ein Halbblut bin. Man wird mich nie akzeptieren, weder im Tiefland noch im Hochland.« Ein Funken trotziger Wut regte sich in ihr. »Die Dorfbewohner hassen mich sogar noch mehr als meine Mutter. Sie braucht zumindest nicht vorzugeben, etwas zu sein, das sie nicht ist.«
    Strell saß steif vor ihr, mit undurchdringlicher Miene, und sie fragte sich, ob er seine Entschuldigung jetzt zurücknehmen würde. »Willst du deshalb zu dieser Feste?«, fragte er schließlich.
    Alissa wich seinem Blick aus und rieb an einer schmerzenden Stelle in ihrem Nacken. »Vielleicht. Ich glaube ja, dass meine Mutter mich dorthin schickt, weil sie dringend jemanden brauchen, der einen Gemüsegarten ordentlich pflegen kann.«
    »Wie bitte?«
    Alissa schenkte ihm ein schiefes Lächeln und strich dann mit den Fingern über ihren Nacken und den Hinterkopf, wo sie ein seltsames Prickeln spürte. »Was soll ein Bauer denn sonst dort tun? Man müsste ziemlich dumm sein, um die Geschichten über diese Feste zu glauben.«
    Strell kicherte, und sie spürte, wie ihre Angst nachließ, weil er ihr nicht die erwarteten Vorwürfe gemacht hatte. »Ach ja, die

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