Alissa 1 - Die erste Wahrheit
nicht dort niederlasst, wird der Name Hirdun bald unter die niedersten der Töpfer hinabsinken.«
»Ich danke Euch«, erwiderte Trook und neigte den Kopf zum Abschied, den er kaum mehr erwarten konnte. Diese Frau gab ihm das Gefühl, unrein zu sein.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte sie höhnisch. »Damit meine Zukunftsschau unverändert bestehen bleibt, darf Eurem jüngsten Enkelsohn nicht erlaubt werden, bei der Familie zu bleiben.«
Trook riss den Kopf hoch. Da war sie, die hässliche Bedingung, welche die Shaduf dazu bewogen hatte, auf ihre Bezahlung zu verzichten. Es war undenkbar, dass ein Junge, der mit einem verbrieften Namen geboren wurde, die Familie verließ. Tochter im Allgemeinen ja, aber niemals ein Sohn, außer seine zukünftige Ehefrau entstammte einem unglaublich wohlhabenden Haus.
»Wenn er bleibt«, erklärte sie mit süßlichem Lächeln und ergötzte sich offensichtlich an der Verwirrung, die sie stiftete, »wird der Name Hirdun untergehen, doch wenn er rechtzeitig fortgeht, wird Hirdun für immer unvergessen bleiben.«
Sie wartete seine Reaktion nicht ab, sondern drehte sich um und schwebte von dannen, offenbar vollkommen überzeugt davon, dass er ihren Rat befolgen würde. Trook schüttelte den Kopf und sah ihr nach, bis sie in der Menge verschwand. Wie, fragte er sich, hatte er sie, selbst aus der Ferne, je für einen Mann halten können?
Wahrend er noch mit seinem Dilemma haderte, kehrte der Besitzer des Wagens zurück und starrte ihn finster an, bis Trook ihn bemerkte und den Stand verließ. Langsam ging er durch das Gedränge zurück, tief in Gedanken versunken. Warum hing der Erfolg seiner Familie davon ab, dass sein Enkelsohn die Heimat der Hirdun verließ – ein Enkel, dessen Vater noch nicht einmal geboren war? Noch mehr Kummer bereitete ihm, dass die Shaduf auf ihren Lohn verzichtet hatte. Er würde ja gern glauben, dass die Gelegenheit, Unruhe zu stiften, ihr einziger Grund dafür war, doch das war unwahrscheinlich. Ihm war irgendetwas entgangen, doch wie es auch ausgehen mochte, er hatte sich und seinen jüngsten Enkelsohn beeidigt. Immerhin, dachte er trocken, wusste er jetzt, dass er und seine Frau mindestens ein Kind bekommen würden.
Trook schwang sich auf seinen Wagen und ließ die Zügel sacht klatschen, damit die friedfertigen Pferde sich in Bewegung setzten. Das Holpern lockte seine hübsche Braut aus dem hinteren Teil des Wagens, wo sie sich versteckt hatte. Sie verabscheute die Hügelländer und hatte sich schlichtweg geweigert, sich blicken zu lassen. Anscheinend war ihre Neugier nun stärker als ihr Abscheu, und sie blinzelte im hellen Sonnenlicht.
»Hat er dir eine Antwort gegeben?«, fragte sie und war unverkennbar erleichtert, dass sie wieder unterwegs waren.
»Ja, das hat sie«, entgegnete Trook, den Blick geradeaus gerichtet und die Brauen gerunzelt.
»Sie!«, rief seine Frau aus. »Nein, so etwas.« Eine lange Pause entstand. Als deutlich wurde, dass er von sich aus nicht mehr erzählen würde, räusperte sie sich. »Was hat sie denn gesagt?«
»Sie hat mir von einer Schlucht erzählt.«
»Wunderbar!« Es folgte ein vielsagendes Zögern. »Was hat es gekostet?«
Trook lenkte schweigend die geduldigen Tiere vom Marktplatz auf die offenen Felder. »Ich habe keine Ahnung«, flüsterte er schließlich. Die Verwirrung seiner Frau war nur wenig größer als seine eigene.
– 15 –
K ralle keckerte, als Alissas Augen sich verdrehten und sie in einem schmerzhaft aussehenden Sturz zu Boden fiel. »Ganz ruhig, altes Mädchen«, sagte Strell und streckte die Hand aus, um den Vogel zu kraulen. »Ich glaube nicht, dass ihr etwas fehlt«, fügte er seufzend hinzu. Verflucht sei dieser Nutzlos. Nach dem frühen Aufbruch, den er für morgen geplant hatte, sah es nun nicht mehr aus. Strell legte seine Flöte beiseite, stand auf, reckte sich und stieß frustriert den Atem aus.
Er kniete sich vor Alissa und nahm sie in die Arme wie ein schlafendes Kind, um sie bequemer auf ihre Matte zu legen. Ihr Kopf fiel schwer an seine Brust, als er ungeschickt aufstand, und Strell zögerte. Nun fiel ihm auf, dass Alissas Haar überhaupt nicht wie das seiner Schwestern war. So glatt und hell. Von der Farbe einer Herbstwiese. Er atmete tief ein, und der warme Duft von wilden Möhren, der sie umgab, ließ seinen Blick in die Ferne rücken. Plötzlich überkam ihn Trauer, und er schloss die Augen, als es ihm die Brust zuschnürte. Er war ganz allein. Niemand aus seiner
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