Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
Küche, auf dessen Wand ein helles Kochfeuer die Schatten tanzen ließ. Langsam fielen ihm die Späne aus den Fingern und klapperten wie ein duftender Wasserfall zu Boden.
»Hör nur den Regen, Strell«, vernahm er plötzlich. »Die Fensterbanne sind gefallen.« Eine Männerstimme war zu hören, Wasser spritzte, gefolgt von einem weiblichen Aufschrei.
»Pfeifer!«, brüllte Bailic frustriert.
Das Lachen und Plätschern brachen ab. »Nebenan?«, hörte Bailic, und dann: »Ich sehe nach.«
Die schlaksige Silhouette des Pfeifers erschien in dem dunklen Bogengang, dicht gefolgt von der kleineren Gestalt des Falken. Der erregte Vogel flatterte in der Luft, bis Strell eine Hand hob, auf der er landen konnte. Gemeinsam standen sie da und versperrten den Durchgang. »Ja, Bailic?«, sagte der Mann und verbarg dabei die verstümmelte Hand hinter dem Rücken.
Bailic lächelte höhnisch, erfreut, dass der Mann zumindest diese Lektion gründlich gelernt hatte. »Du wirst morgen mit mir in den Garten gehen«, sagte er aus einem spontanen Einfall heraus.
»Im Regen?«
»Morgen wird es nicht regnen, Pfeifer.«
Strell nickte argwöhnisch. »Warum gehen wir nach draußen?«
Bailic musterte Strell verächtlich von oben bis unten. »Ich werde versuchen, dir das schwierige Kunststück beizubringen, wie man die Energie der Quelle in Licht umwandelt«, sagte er. »Ich verspüre nicht die geringste Lust, dich von den Wänden zu kratzen, falls du dabei einen Fehler machst.«
»So gefährlich ist das?« Strell machte große Augen.
»Du wirst noch vor Sonnenaufgang draußen erscheinen«, fuhr Bailic fort und trat dicht vor den überraschten Mann hin. Er wollte das Mädchen quälen. Das war der Grund, weshalb er überhaupt hier heruntergekommen war. »Ich will sehen, wie hell du das Licht machen kannst.«
Ein besorgter Ausdruck erschien auf Strells Gesicht, und sein Blick wurde leer.
»Früh, Pfeifer«, knurrte Bailic, »sonst zerre ich dich selbst aus deinem warmen Bett. Und jetzt geh mir aus dem Weg! «
Hinter dem Befehl stand kein Bann, doch Strell trat beiseite, offenbar immer noch völlig verwirrt von Bailics Anordnung eines so frühen Treffens. »Wartet!«, rief Strell, als Bailic an ihm vorbeieilte.
Doch es war zu spät. Bailic trat mit befriedigter Miene in die hell erleuchtete Küche. Abrupt blieb er stehen und warf Strell einen finsteren Blick zu, als der ungeschickte Kerl beinahe gegen ihn geprallt wäre. »Wo ist sie?«, brummte Bailic.
Eine Wasserlache breitete sich auf dem Boden unter dem verlassenen Waschbecken aus, in dem sich Geschirr stapelte. Im Küchenkamin brannte ein Kochfeuer, niedrig und gleichmäßig. Darüber zischte eine kochende Teekanne. Doch was verdächtig fehlte, war das Mädchen.
Bailic trommelte mit den Fingern auf den vor der Brust verschränkten Armen herum. Er sandte einen Gedanken aus, um sie zu finden, doch ihr Versteck war so nah, dass er den Eindruck bekam, sie sei noch hier in diesem Raum. Vielleicht im Garten … Nun, bei diesem Regen würde er ihr nicht hinterherlaufen. Verärgert schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch und scheuchte damit den Vogel auf. Das bösartige Vieh flatterte zu einer der unbenutzten Feuerstellen und schwebte in der Luft, bis es sich schließlich auf dem Kaminsims niederließ. Ein Schauer überlief Bailic, als der Falke wütend scheinbar ins Leere starrte. Dann wandte sich der Zorn des Vogels gegen ihn, und er zischte mit gesträubtem Gefieder.
»Sag dem Mädchen, dass wir uns an der Feuerstelle treffen«, befahl Bailic, den Blick fest auf den Vogel geheftet. »Sie weiß schon, wo ich mein Frühstückstablett sehen möchte.« Mit einem letzten argwöhnischen Blick fuhr er auf dem Absatz herum und ging hinaus.
»Irgendetwas stimmt hier nicht«, murmelte er, während er die dunkle Halle durchquerte. »Das gefällt mir nicht, das gefällt mir ganz und gar nicht.«
– 25 –
S trell«, flüsterte sie und verdrehte dann die Augen. Warum flüsterte sie eigentlich? Der Sinn der Sache war ja, ihn zu wecken. Alissa trat an seinen Kamin, um nachzusehen, ob etwas von seiner Glut die Nacht überstanden hatte. Zitternd legte sie beide Hände schützend über den kleinen orangeroten Fleck, den sie in den Kohlen fand. Es war kalt ohne die Banne – sie waren vergangene Nacht gefallen –, und im trüben Licht des frühen Morgens blickte sie sich in Strells Zimmer um.
Er hatte nichts getan, um sein Schlafgemach zu verändern, so wie sie, und nur wenig
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