Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
Häusern wider, bis es klang, als lache die Stadt mit ihm, höhnisch und triumphierend, voll ironischen Versagens und Verrat im letzten Augenblick. Sollte Talo-Toecan doch seine letzte Bewahrerin beweinen wie eine Frau ihre verschüttete Suppe. Er hatte eine Stadt voll Toter zu erwecken.
»Dann kommt!«, rief er in den makellosen Himmel hinauf. »Ich werde bereit sein, Talo-Toecan!«
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T alo-Toecan?«, rief Lodesh. »Ich habe den Pfeifer gefunden!«
Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen, während sein alter Freund von seinen Gemächern hinab in den Garten geflogen kam. Besorgt warf Lodesh einen Blick auf Strell. Der schlaksige junge Mann saß unter einem Schlafbann da, den Kopf in die Hände gestützt. Falls der Nachmittag bringen würde, was Lodesh vermutete, dann würde der Pfeifer heute auf eine schwere Probe gestellt werden – wie sie alle.
In einem Wirbel grauen Nebels nahm Talo-Toecan seine menschliche Gestalt an und trat an die Feuerstelle, wo Lodesh Alissa im dürftigen Schatten eines wuchernden, blattlosen Busches auf die Bank gelegt hatte. »Ich werde alles ausräuchern müssen«, sagte Talo-Toecan seufzend.
Lodesh richtete sich erstaunt auf. »Verzeihung, wie bitte?«
»Meine Gemächer.« Der Meister ließ sich auf die Bank sinken, und man sah ihm alle seine 855 Jahre an. »Ihr habt es doch gesehen. Tintenflecken auf meinem Schreibtisch. Die übrigen Möbel durch dieses abscheuliche, steife Holzzeug ersetzt. Meine Unterlagen und Bücher, die nicht unter Bannen lagen, wurden durchwühlt.« Ekel verzerrte sein Gesicht. »In meinem Schlafgemach hat er das Feuerholz bis zur Decke gestapelt. Die Späne und Splitter werde ich nie ganz wegbekommen.« Talo-Toecan machte eine schwache Geste. »Aber seine Schriften … Es ist ein Jammer. Erstaunliche Ideen. Doch er wollte sie gefährlich schnell anwenden – und aus den vollkommen falschen Gründen.«
Lodesh fühlte sich nicht ganz wohl mit der Richtung, die das Gespräch genommen hatte, und räusperte sich. Als Talo-Toecan aufblickte, wies er mit einem fragenden Nicken auf den Pfeifer.
»Lasst ihn schlafen«, sagte Talo-Toecan. »Er hätte rein gar nichts davon, zuzusehen, wie Alissa den Verstand verliert.«
Lodesh lächelte schwach. »Sie könnte die Bestie besiegen. Gebt sie nicht verloren, ehe sie wahrhaftig verloren ist.« Er pflückte Alissas Hut aus dem Gebüsch und schob ihn unter ihren Kopf, um sie vor dem feuchten Stein zu schützen. Der Hut sah neu aus, war aber nach der traditionellen Art der Bewahrer geschnitten, und er zog die Augenbrauen hoch. Wenn dies Alissas Hut war – und das musste er sein, denn im Hutband steckte ein Zweig Minze –, dann könnte er sie verraten haben.
Schulterzuckend ließ er sich am Feuer nieder, streckte sich in der warmen Sonne aus und schloss die Augen. Ein Fensterladen klapperte im Wind und störte die friedliche Stille, und er blickte mit einem Auge dort hinauf. »Wir brauchen immer noch einen Dritten«, rief er dem bedrückten Meister in Erinnerung. »Wie Ihr sagtet, haben zwei keine Chance, doch mit einem Dritten könnten wir sie vielleicht halten, bis wir einen Weg finden, sie wieder zu Bewusstsein zu bringen.«
»Das ist ein äußerst dünnes Vielleicht«, murrte Talo-Toecan.
Lodesh setzte sich interessiert auf. »Könnt Ihr Bailics Bann entfernen?«
»Ich habe ihn diesen Bann gelehrt«, erwiderte der Meister. Lodesh sah eine schwache Resonanz auf seinen Pfaden, als der Raku Bailics Bann von dem Pfeifer löste. Strell regte sich, rieb sich das Kinn und blinzelte verwirrt.
»Du meine Güte«, scherzte Lodesh, der Strells zerknitterte Kleidung und stoppelige Wangen musterte. »Der junge Mann sieht recht heruntergekommen aus, nicht wahr?«
»Talo-Toecan?«, fragte Strell mit heiserer Stimme. »Bei den Wölfen. Was tut Ihr hier? Wo ist Alissa?«
Mit müdem Blick wies Talo-Toecan auf die kleine Gestalt auf der kalten Bank. Strell eilte an ihre Seite, kam mit ausgestreckten Händen rutschend vor ihr zum Stehen und wagte offenbar nicht, sie zu berühren. »Geht es ihr gut?«, fragte er erschrocken.
Talo-Toecan seufzte. »Nein.«
»Bailic! Wo ist Bailic?«
»Unterwegs in meine Stadt«, sagte Lodesh, dem es nicht gefiel, wie besorgt der Pfeifer um Alissa war. Strell war nicht der Einzige, der die junge Frau mochte, doch Lodesh würde keine Ansprüche auf sie erheben, ehe sie sich an ihn erinnerte.
Strell musterte Lodesh von oben bis unten, offensichtlich verwirrt. »Wer seid
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