Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
fest, während ihr Lehrmeister mit entrücktem Blick nach eventuellen Fehlern suchte. Seine Augen wurden wieder klar, und er schnitt eine Grimasse und sank ergeben zusammen. »Also schön«, stimmte er zu. »Du hast es richtig hinbekommen.«
Alissa grinste. Sie hatte gewusst, dass es richtig war.
»Lass mal sehen.« Nutzlos blickte sich im Garten um. Mit einem erfreuten Brummen stand er auf und ging zu einem Grüppchen Seidenpflanzen hinüber; die Stauden waren verblüht und trugen Samen. Er brach eine der halb geöffneten Hülsen ab, kehrte zurück und setzte sich wieder. »Dein Vater und Bailic haben dieses Spiel geliebt«, murmelte er und öffnete die spröde Hülse weiter. Ein paar wenige flaumige Samenkörner lagen noch darin, und Nutzlos holte sie vorsichtig heraus. Mit einem Atemhauch ließ er sie in die Luft steigen. Langsam begannen sie zu fallen, wobei die aufsteigende Wärme des Feuers sie bremste.
»Fang sie«, flüsterte er heiser.
Grinsend stand Alissa auf und fing sie mit einer Hand aus der Luft.
»Sehr komisch, Alissa«, bemerkte er säuerlich. »Nächstes Mal gebrauche einen Bann dazu.«
»Ich brauche keinen Bann, um sie einzufangen. Ein Feld allein würde genügen.«
Nutzlos neigte anerkennend den Kopf. »Das stimmt. Ein Bann der Erstarrung wirkt nur auf Wesen, die sich bewegen können, doch da es hier nicht einmal ein Insekt gibt, an dem du üben könntest, wirst du es dir eben vorstellen müssen, während du sowohl den Bann als auch das Feld gebrauchst.«
»Woher soll ich dann wissen, ob ich es richtig gemacht habe?«, beharrte sie.
»Ich werde es dir sagen«, knurrte er beinahe.
Seufzend ließ sie die beiden flaumigen Samenkörner los und sah zu, wie sie näher an die Flammen heranschwebten. Sie stand ruhig da, als sie ihre Aufmerksamkeit erst um das eine, dann um das andere fokussierte und beide einzeln in ein säuberlich geschaffenes Feld einschloss. Sie hielt sie fest, brachte ihre Pfade zum Glühen und leitete den Energiefluss in die richtigen Kanäle, um den Bann aufzubauen. Sobald das Muster vollständig war, entstand ein ziehendes Gefühl. Alissa gab ihm nach und empfand eine Art unheimlichen Schwindel, als das Muster, das sie geschaffen hatte, plötzlich an drei Orten zugleich zu existieren schien: in ihren Gedanken und in beiden Feldern. Mit einem Schnappen, das sie durch und durch spürte, wurden ihre Pfade schlagartig dunkel, und nur die erste Schleife schimmerte noch hell.
»Ich habe es geschafft!«, rief Alissa freudig aus. Es war beinahe absurd einfach gewesen. Die Flaumflöckchen hingen reglos in der Luft, eine Armeslänge vom Feuer entfernt.
»Wenn das hier nicht nur Übung wäre«, ertönte Nutzlos’ Stimme, »könntest du das Feld verlieren. Dann bleibt der Bann auf der Person, oder in diesem Fall den Samen, bestehen.«
Sie war begierig, es zu versuchen, und lockerte ihre Konzentration, bis das Feld sich auflöste. Der Flaum fiel mit ihrem Bann. Schließlich war es das Feld, das die Samenkörner in der Luft angehalten hatte. Die Banne waren ja nur zur Übung.
»Ich sagte, ›wenn‹, Schülerin«, und die Samen erstarrten mitten im Fall, von seinem Feld aufgehalten. »Fang sie wieder ein, ehe sie den Flammen zu nahe kommen … Felder sind temporär«, fuhr er fort, als sie gehorchte. »Sie verblassen zusammen mit deiner Aufmerksamkeit. Ein Bann jedoch wird, wenn er richtig durchgeführt wurde, dauerhaft sein, bis er von jemandem entfernt wird, der die Befähigung dazu besitzt. Noch einmal, bitte.« Er schloss die Augen, doch Alissa wusste aus schmerzhafter Erfahrung, dass er alles um sich herum mitbekam.
Sie ließ die Samenkörner mit einem Atemhauch durch die Luft treiben. Bevor sie noch eine Handbreit vorangekommen waren, erstarrten sie erneut, umfangen von Feld und Bann.
»Hervorragend«, bemerkte er. »Jetzt versuche, zuerst den Samen, der dir am nächsten ist, und dann den anderen einzeln zu erfassen.«
Das war schwieriger, da sie das Muster ein zweites Mal neu aufbauen musste, nachdem das erste entschwunden war, doch bald hatte sie den Dreh heraus. Es machte ihr Spaß, und sie übte fleißig weiter und genoss ihre neuen Fähigkeiten. Alissa spürte, wie sein Blick einen langen, stummen Moment auf ihr ruhte; dann griff er in Gedanken aus und schnappte sich den Flaum mit seinem eigenen Feld und Bann. »He!«, rief sie beleidigt.
»Das ist ein Wettkampf«, erklärte er selbstzufrieden. »Wer beide fängt, hat gewonnen.«
»Oh.« Alissa lächelte. Ein
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