Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
Schritte des Kapitäns hallten über das Deck. »Den Anker lichten!«, schrie er. »Hayden, mach den Mund zu! Hast du noch nie eine Frau ohne ihre Glöckchen gesehen?«
Connen-Neute drückte Alissas Schulter und trat dann an die Winde, um Hayden zu helfen. Strell packte ebenfalls mit an, und Alissa blickte besorgt zum Ufer, als das scharfe Klirren von der Wand aus Bäumen dort zurückzuhallen schien. Der Kapitän begrüßte sie mit einem Brummen und stapfte dann zum Steuerdeck. Hayden blickte kurz von seiner Arbeit auf und nickte ihr zu, und sein Blick huschte wieder zu ihrem unsichtbaren, stummen Fußgelenk. Mit lautem Rascheln hoben sich die Segel. Sogleich füllten sie sich mit Wind, und das Schiff setzte sich in Bewegung.
Alissa ließ den Blick über das dunkle Deck schweifen und überlegte, ob sie irgendetwas tun sollte. Strell hatte ein großes Stück Leder auf den Planken ausgebreitet und schien ein Feuer entzünden zu wollen, wozu auch immer. Sie warf einen Blick auf die brennende Öllampe an der Luke, dann wieder auf Strell.
»Ich kann das für dich tun«, sagte sie, doch Strell schüttelte den Kopf. Er sah sie nicht einmal an, und sie wandte sich beleidigt ab und ging zu dem abgesenkten Steuerdeck, wo der Kapitän breitbeinig stand, das Steuerrad fest im Griff. Hayden war unter Deck verschwunden.
»Kapitän«, sagte sie zurückhaltend, denn sie war nicht sicher, wie seine Reaktion ausfallen würde.
»Ma’hr«, entgegnete er und nickte. Dann runzelte er die Stirn und blickte von ihr zu Strell hinüber. Strell hatte ein kleines Flämmchen hervorgebracht, mit dem er dann eine Öllampe entzündet hatte. Er rollte alles außer der brennenden Lampe in das Leder ein, stopfte den Packen in sein Bündel und verschwand ebenfalls unter Deck.
Alissa seufzte und wandte sich wieder dem Kapitän zu. »Danke, dass Ihr das für uns tut.«
Der Kapitän schnaubte und spie aus, sorgsam mit dem Wind, damit seine Spucke nicht an Bord landete. »Ich tue das nicht für Euch, Ma’hr«, erwiderte er. »Ich tue das, weil er« – mit dem Kinn wies er auf Connen-Neute im Bug – »gesagt hat, es würde diesen Seewolf von einer Frau ärgern.«
Alissa verzog das Gesicht. »O ja. Das wird es. Ich werde wahrscheinlich die nächsten hundert Jahre damit verbringen, das wiedergutzumachen.«
»Ja«, stimmte er barsch zu. »Denkt an meine Worte. Ihr werdet das Euer Leben lang bereuen.«
»Vermutlich«, brummte sie und dachte bei sich, dass Keribdis sie gewiss würde umbringen wollen, wenn die Sonne eine Handbreit über dem Horizont stand und sie den Strand leer vorfand.
Ein Scharren zog ihre Aufmerksamkeit zu der Luke in ihrem Rücken. Strell stieg herauf; mit einer Hand umklammerte er die Lampe, mit der anderen hielt er sich am Schiff fest. Er trug wieder seinen runden violetten Hut. »Wo ist der Sand?«, fragte er angespannt und hängte seine Lampe an einen Haken. »Ich habe Euch doch gesagt, dass ich Sand brauche.«
»Strafft Euer Fell, Wüstenmann«, entgegnete der Kapitän. »Hayden hat den Sand. Wenn Ihr etwas davon auf meinem Deck verschüttet, werdet Ihr mein Schiff schrubben.« Er spie erneut aus, und Alissa verzog das Gesicht.
»Sind wir weit genug draußen?«, fragte Strell und trat leicht taumelnd zu ihr.
Der Kapitän kniff die Augen zusammen. »Ja. Wir dürfen nur nicht in einem Hafen sein.« Er sah Strell an. »Seid Ihr sicher, mein Junge? Ihr habt ein gutes Herz. Auf See taugt Ihr nicht viel, aber ich nehme Euch in meine Mannschaft auf, falls Ihr sie nur wegen ihres Geldes heiraten müsst.«
Alissa stockte empört der Atem. Ihr Zorn ließ nach, als Strell ihre Hand nahm und sie drückte. »Ich danke Euch, Kapitän«, sagte er. »Euer Angebot ist sehr großzügig, und ich werde vermutlich noch bereuen, es abgelehnt zu haben, aber ich habe meinen Kurs berechnet und werde ihm bis zum Ende folgen.«
Der Kapitän seufzte, wobei sich sein ganzer Oberkörper hob und senkte. Er blickte zu der Flagge auf, die am höchsten Mast flatterte. »Also dann, wenn Ihr sicher seid.« Strell nickte, und der Kapitän stieß einen schrillen Pfiff aus. »He!«, rief er. »Kommt herab! Kommt herbei! Wir sagen heute einem Mann Lebewohl!« Nach einer kurzen Pause brüllte er: »Schaff deinen dürren, nichtsnutzigen Dockmannsarsch hier rauf, Hayden!«
Alissa runzelte die Stirn, doch dann musste sie lächeln, als sie sah, dass Strell die Worte des Kapitäns offenbar komisch fand. Dies war schließlich eine Hochzeit, bei den Hunden des
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