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All unsere Traeume - Roman

All unsere Traeume - Roman

Titel: All unsere Traeume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cohen
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oder schreien? Was war ungefährlicher?
    Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es tatsächlich passieren würde. Nicht so schnell. Nicht beim erstenVersuch. Sie hatte gedacht, dass sie noch Zeit haben würde, es sich noch einmal gründlich zu überlegen.
    Doch sie hatte es sich gründlich überlegt, und zwar vor der Sache mit der Spritze. Und sie hatte sich entschieden, es zu tun.
    Und jetzt war es getan. Ihre Zellen waren aufeinandergetroffen und miteinander verschmolzen. Sie teilten sich in ihr, um einen nagelneuen Menschen zu erschaffen, und es war jetzt viel zu spät für eine Umkehr.
    Sie lauschte auf das nachlaufende Wasser im Spülkasten, auf den Ventilator mit dem fehlenden Blatt, und dachte, wie seltsam es war, dass ein derart entscheidender Moment im Leben so vieler Menschen in einer Toilette stattfand. Und noch nicht einmal einer sonderlich schönen.
    Die nächsten neun Monate würde sie das Gefäß für das Kind anderer Leute sein. Und obwohl sie es heruntergespielt hatte, waren neun Monate tatsächlich eine ziemlich lange Zeitspanne. Posie würde fast acht sein, wenn dieses Baby – dieses Baby!  – zur Welt kam. Bis dahin konnte alles Mögliche passieren.
    Was wollte sie also in diesem Moment tun? Wollte sie lachen, oder wollte sie schreien?
    »Erzähl keinem etwas«, sagte Claire in ihr Handy. Sie stand mit dem Rücken an der Tür des Musiklehrerzimmers, damit niemand überraschend hereinkam.
    »Was?«, meinte Ben, vierzig Meilen weit weg in seinem Büro in London. »Das sind großartige Neuigkeiten. Wir bekommen ein Baby!«
    »Aber vielleicht auch nicht.« Sie konnte kaum atmen. Wieder die schreckliche Angst, weil es etwas zu verlieren gab.
    »Claire, Romily wird es sich nicht anders überlegen. Du kennst sie nicht so gut wie ich. Wenn sie einmal eine Entscheidung getroffen hat, zieht sie die Sache hundertprozentig durch.«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Oh. Ich weiß, Schatz. Es ist beängstigend. Aber Romily ist gesund, sie hat schon einmal ein Baby zur Welt gebracht. Es gibt keinen Grund, davon auszugehen, dass diesmal etwas schiefgeht.«
    Diesmal. Weil Romily im Gegensatz zu Claire Babys bekommen konnte.
    Das meinte er nicht. Sie schluckte. »Ich finde nur, es wäre klug, wenn wir es bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels für uns behalten, das ist alles.«
    »Aber möchtest du denn nicht mit deinen Freundinnen darüber reden? Mit Helen?«
    »Erst wenn es sicher ist. Ben, und wenn sie es sich doch anders überlegt?«
    »Das wird sie nicht.«
    Claire dachte an Romilys unordentliche Wohnung, ihre unregelmäßigen Mahlzeiten, die zwischen den Sofakissen verräumte Schmutzwäsche. »Ich weiß nicht, ob sie so zielstrebig und entschlossen ist, wie du glaubst.«
    »Wir reden hier über die Frau, die ihren Doktor gemacht hat, während sie sich um ihr Baby gekümmert hat, das an Koliken litt.«
    »Tja, ein bisschen haben wir ja auch geholfen.«
    »Ich finde, wir sollten feiern gehen, nur wir. Es ist ein großer Schritt. Ich habe Romily gesagt, dass ich früher von der Arbeit zurückkomme. Ich lade euch alle drei ins Swan zum Abendessen ein.«
    »Auch Posie? Also, ich glaube nicht, dass Romily ihr schon etwas davon gesagt hat.«
    »Auch Posie. Sie hat auch zu feiern verdient. Sie wird … wie sagt man? Patenschwester?«
    »Halbschwester«, flüsterte Claire.
    »Patenschwester. Ich finde, Romily sollte Patentante werden, meinst du nicht?«
    »Mit dir gehen die Pferde durch, Ben. Wie immer.«
    Er lachte. »Du hast recht. Ich bin aufgeregt, das ist alles. Ich hole dich um fünf zu Hause ab.«
    »Okay. Aber erzähl keinem davon. Bitte.«
    Er zögerte.
    »O nein, Ben. Das hast du nicht, oder?«
    »Bloß Justin. Und Elaine. Sie haben Kinder, sie wissen, wie es ist.«
    »Kinder zu haben, bedeutet nicht, dass man weiß, wie es ist, wenn man keine Kinder kriegen kann.«
    »Claire, es wird gut gehen.« Seine Stimme war besänftigend. »Es wird alles klappen. Das verspreche ich dir.«
    Sie wickelte sich den Saum ihres Rockes um den Finger. »Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache. Es ist zu schnell und zu leicht gegangen.«
    »Vielleicht geht es schnell und leicht, weil dieses Kind eben sein sollte.«
    »Und unsere Babys, diejenigen, die du und ich zu bekommen versucht haben, etwa nicht?«
    »Nein, das meine ich nicht, natürlich nicht. Es ist bloß – das hier fühlt sich gut an. Nicht wahr?«
    »Beim letzten Mal hat es sich auch gut angefühlt.«
    Er hielt erneut inne. »Schatz, ich dachte,

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