All unsere Traeume - Roman
aus, es mit jemandem zu teilen. Für dich haben sie auch ein Gästezimmer, wenn du es willst, Jarvis, weil ich doch weiß, dass du kein Haus in England hast.«
»Posie, hör auf!«
Jarvis runzelte die Stirn. »Claire hat das Kinderzimmer renoviert?«
»Ja, Claire hat keine guten Eizellen, also kriegt Romily das Baby für sie. Sie und Ben haben künstliche Beatmung gemacht.«
»Befruchtung, Posie, und das reicht jetzt. Geh doch eine Sandburg bauen.« Romily schob Eimer und Schaufeln in ihre Richtung. Sie spürte Jarvis’ Blick.
»Okay«, sagte Posie, ging ein Stück über den Strand und buddelte im Sand.
»Ben ist noch mit Claire verheiratet?«, fragte Jarvis in leisem, zornigem Tonfall. »Du bist ihre Leihmutter?«
»Ja. Es ist keine große Sache, Jarvis. Ich habe mich freiwillig bereit erklärt.«
»Bist du denn völlig verrückt?«
»Wie bitte?«
»Ja, du musst verrückt sein.«
»Jarvis, das geht dich nichts an.«
»Du trägst Bens Baby aus. Es ist deins und Bens.«
»Genetisch ist es unseres, aber juristisch …«
»Juristisch! Als wenn das etwas ausmachen würde. Du liebst Ben seit Jahren.«
Es war wie ein Schlag vor die Brust. »Woher …«
»Ich habe Augen im Kopf, Romily. Du magst ihn deinen besten Freund nennen, aber das hast du mir noch nie weismachen können. Er ist eine Art Gott für dich – auch wenn keiner weiß, warum.«
»Du weißt gar nichts.« Beide waren mittlerweile auf den Knien, einander gegenüber, und redeten in einer Mischung aus Schreien und Geflüster. Zwei Meter weiter grub Posie im Sand und summte leise vor sich hin.
»An deiner Fähigkeit zur Selbsttäuschung hat sich nicht das Geringste geändert«, warf Jarvis ihr vor. »Glaubst du wirklich, du wirst dieses Baby weggeben können?«
»Ja. Ja, natürlich kann ich das. Und genau das werde ich tun. Ben und Claire wollen dieses Baby. Es ist ihres.«
»Du konntest Posie nicht aufgeben, dabei hast du mich noch nicht einmal geliebt.«
Romily legte beide Hände auf ihren Bauch. »Da besteht ein Unterschied.«
»Der Unterschied besteht darin, dass dieses hier von Ben ist. Oder vielleicht benutzt du dieses Baby als Druckmittel, um Ben endlich für dich zu gewinnen.«
»Wie ich Posie als Druckmittel benutzt habe, damit du bleibst? O nein, das habe ich nicht getan, oder? Du sagtest, du wolltest Freiheit, und ich habe sie dir gelassen.« Romily erhob sich hastig und schnappte sich ihre Sandalen. »Ich weigere mich, diese Unterhaltung mit dir zu führen. Ich gehe spazieren. Pass für mich auf Posie auf.«
Jarvis sagte noch etwas, aber sie hörte es nicht. Sie ging schnell über den weichen Sand auf die Dünen zu. Ein Pfad führte zwischen stacheligen Grasbüscheln hindurch.
Woher wusste er es? Sie hatte es ihm nie gesagt. Sie hatte es niemals jemandem anvertraut, abgesehen von den Seiten jenes Notizbuches. Sie hatte es jahrelang bei allem, was sie sagte und tat, verheimlicht. Anfangs hatte sie sich sogar für Jarvis entschieden, weil er äußerlich das absolute Gegenteil von Ben war.
Allerdings hatte sie ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet, Ben nahe zu sein, und jetzt bekam sie ein Baby von ihm.
Romily verließ den Pfad und kletterte über eine Düne, durch Gras streifend. Jarvis hatte keinen blassen Schimmer. Das hier war das Baby von Ben und Claire, und es würde ihr garantiert nicht schwerfallen, es herzugeben, denn es gehörte den beiden. Ihnen beiden, gemeinsam. Nicht ihr. Kein Druckmittel und auch keine psychologische Erpressung oder etwas, um sich selbst zu quälen. Sie war schlicht und einfach ein Brutkasten für das Kind der beiden, und wenn sie zufälligerweise tiefere Gefühle für den Vater hegte, als sie zugab, tja, dann ging das niemanden außer sie selbst etwas an. Ganz bestimmt nicht Jarvis.
Du konntest Posie nicht aufgeben, dabei hast du mich noch nicht einmal geliebt.
Doch Posie gehörte ihr. Posie hatte von Anfang an Romily und niemandem sonst gehört. Auch wenn Romily nie gedacht hätte, wie kompliziert und verletzend und wunderbar und erschöpfend dieses Besitzen sein würde.
Eine Möwe flog über ihr, trieb auf den Luftströmungen, vollführte minimale Bewegungen, um reglos in der Luft zu schweben. Dort hinten am Strand buddelten ihre Tochter und der Vater ihrer Tochter zusammen im Sand und lachten und bauten eine Beziehung auf. Was auch immer Romily tat, hatte Auswirkungen auf Posie, und Jarvis hatte da durchaus mitzureden. Ob es ihr nun gefiel oder nicht: Posie gehörte nicht mehr nur
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