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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Sprichwort ›Je mehr man weiß, desto mehr Sorgen hat man auch‹ nichts von seiner Gültigkeit verloren hat.
    Was ihre Religion anbetrifft, so ist es nichts weiter als eine Naturreligion für phantasiereiche Menschen, die es nicht anders wissen, und von denen man daher nichts anderes erwarten kann, als daß sie sich der Sonne als dem allmächtigen Vater zuwenden und sie als solchen verehren und anbeten. Man kann sie jedoch nicht als erhebend oder geistlich ihm religiösen Sinne bezeichnen. Sie bezeichnen zwar manchmal die Sonne als das ›Kleid des Geistes‹, aber das ist nur ein sehr vager Begriff; was sie in Wirklichkeit anbeten, ist nichts weiter als der feurige Himmelskörper selbst. Sie bezeichnen ihn auch als ›Hoffnung auf die Ewigkeit‹, aber auch hier haben sie wieder nur äußerst unklare Vorstellungen, und ich bezweifle, daß sie mit diesem Begriff einen klaren Eindruck verbinden. Einige von ihnen glauben in der Tat an ein Weiterleben nach dem Tode – ich weiß es zum Beispiel von Nylephta, aber das ist nur ein privater Glaube, der aus der Eingebung des Geistes herrührt, und kein wesentlicher Bestandteil ihrer Religion. Insgesamt betrachtet würde ich also nicht sagen, daß ich diesen Sonnenkult als eine Religion ansehe, die auf ein zivilisiertes Volk deuten würde, so prächtig und beeindruckend auch seine Rituale erscheinen und so moralisch und hehr auch die Maximen seiner Priester klingen mögen, von denen viele, wie ich ganz sicher glaube, ihre eigene Meinung zu der ganzen Sache haben. In der Öffentlichkeit sind sie natürlich voll des Lobes über ein System, das sie im Überfluß mit all den guten Dingen versorgt, die unsere Erde zu bieten hat.
    Noch zwei Themen möchte ich ansprechen: nämlich die Sprache und die Schrift. Was die erstere betrifft, so hat sie einen sehr weichen Klang und zeichnet sich durch große Vokalfülle und Geschmeidigkeit aus. Sir Henry sagt, sie ähnelte in ihrem Klang ein wenig dem Neugriechischen; sie hat jedoch damit keinerlei Verwandtschaft. Sie ist leicht zu erlernen, da sie recht einfach aufgebaut ist. Das Bemerkenswerteste an ihr ist jedoch die besondere Bedeutung, die der jeweiligen Klangfarbe des Wortes zukommt. Das Wort paßt sich in seiner Betonung gewissermaßen der intendierten Bedeutung an. Lange bevor wir die Sprache beherrschten, waren wir schon häufig in der Lage, die ungefähre Bedeutung eines Satzes anhand der speziellen Tonhöhe und Satzmelodie zu erkennen, die der Sprecher ihm gegeben hatte. Aus diesem Grunde ist die Sprache auch so überaus gut zur poetischen Deklamation geeignet, einer Kunst, die in diesem bemerkenswerten Lande sehr gepflegt wird. Das Zu-Vendi-Alphabet ist anscheinend, wie übrigens jedes andere bekannte Buchstabensystem auch, phönizischen Ursprungs und mithin, geht man noch weiter zurück, aus dem ägyptischen Hieroglyphensystem entstanden. So sagt es jedenfalls Sir Henry. Ob dies den Tatsachen entspricht, kann ich nicht beurteilen, da ich auf diesem Gebiete völliger Laie bin. Ich weiß nur, daß ihr Alphabet aus zweiundzwanzig Zeichen besteht; einige davon, insbesondere B, E und O, sind unseren entsprechenden Zeichen nicht unähnlich. Das Ganze wirkt auf mich jedoch sehr umständlich und verworren * . Aber da die Zu-Vendi nicht veranlagt sind zum Schreiben von Romanen oder anderen Dingen, außer Geschäftsdokumenten und kurzen Notizen, reicht ihre Schrift für ihre Zwecke völlig aus.

14
     
    Der Sonnenblumentempel
     
     
    Meine Uhr zeigte halb neun, als ich am Morgen nach unserer Ankunft in Milosis aufwachte. Ich hatte fast zwölf Stunden geschlafen, und ich fühlte mich in der Tat besser. Ein gesunder, langer Schlaf kann schon einiges bewirken. Nur zwölf Stunden, und man fühlt sich wie neugeboren, besonders, wenn man vorher tage- und nächtelange Strapazen durchgemacht hat.
    Ich setzte mich aufrecht in mein seidenbezogenes Bett – noch nie hatte ich in einem derartigen Bett gelegen – und das erste, was ich sah, war Goods Monokel, das aus den Tiefen seines seidenbezogenen Bettes zu mir herüberstarrte. Sein Monokel war das einzige, was von ihm zu sehen war, aber ich wußte sofort, daß er wach war und bereits darauf wartete, daß ich ebenfalls aufwachte.
    »Hör mal, Quatermain«, legte er gleich wieder los, »hast du ihre Haut gesehen? Sie ist so glatt wie der Rücken einer elfenbeinernen Haarbürste.«
    »Nun hör mal gut zu, Good«, sagte ich protestierend, als sich mit einem Rauschen der Vorhang öffnete. Im

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