Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland

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Kevin.
    Der Typ mit dem Gewehr, der an der Kasse stand, sagte: »Zurück, Lady.« Nickie versuchte etwas durch das Isolierband zu schreien.
    »Ich bin fünfundsechzig, Sie Pfeife. Von mir aus erschießen Sie mich, aber ich werde Kevin helfen. Ihre Kumpel haben bestimmt großen Respekt vor Ihnen, wenn Sie eine unbewaffnete fünfundsechzigjährige Dame abknallen.« Janet setzte sich neben Kevin und nahm seine Hand.
    Pilot Nummer zwei, »Todd«, ging unterdessen von Tisch zu Tisch und ließ die Europäer ihren Schmuck in einem Baumwollbeutel versenken. Als eine Frau sich weigerte, sagte er: »Ach, Sie wollen nicht mitspielen?« Peng. Er schoss dem Mann neben ihr einen Zeh weg. Janet hörte Schreie und das leise Klirren von Münzen und Schmuckstücken, die in dem Beutesack übereinander fielen.
    »Es wird Zeit«, brüllte der Typ, der Nickie in Schach hielt. »Raus hier.«
    Todd kehrte genau in dem Moment zur Tür zurück, als Shw, die von dem Drama im Restaurant nichts mitbekommen hatte, neben dem Eingang aus der Damentoilette kam. Der Pilot griff nach ihrer Handtasche, und sie riss sie gerade so heftig zurück, dass sich ihr Inhalt, Hunderte von Fünfzigdollarscheinen, über den Boden ergoss.
    »O Mann«, sagte Nummer zwei und hielt kurz inne, um ein Bündel davon aufzuheben.
    »Wir haben keine Zeit. Weg hier. Aber dalli.«
    In einem Atemzug waren sie aus der Tür und auf und davon.
    Nickie riss sich das Isolierband vom Mund. Sie schnappte nach Luft, als sei sie tief unter Wasser gewesen und hätte für die Dauer eines Traumes verzweifelt versucht, an die Oberfläche zu kommen.
    Janet senkte den Blick. Das Linoleum vor ihr war voller Blut, ein dunkles, hustensirupartiges Violett. Nickie sprach mit ihr, aber sie konnte nichts hören - keinen Ton.
    Niemand im Restaurant rührte sich. Der Geruch angebrannter Frühstücke wehte aus der Küche herein, wo sich, wie Janet später erfuhr, die Belegschaft in der Kühlkammer eingeschlossen hatte. Ein Dutzend Polizisten stürmte durch den Raum und brüllte: Keiner bewegt sich! Sanitäter schwangen sich auf dem Weg zu den verletzten Franzosen über Zwischenwände, Tische und Bänke. Fotografen waren bereits dabei, die Szene zu dokumentieren, und Kevins Blut wirkte im Schein der Blitzlichter schwarz.
    Janet schaute hoch und sah, wie Shw Geldscheinbündel mit einer ... Gebäckzange? aufsammelte. Ein Cop brüllte: »Nicht das Geld anfassen!«
    »Das ist mein Geld, Sie Wichser. Diese Arschlöcher haben versucht, es mir abzunehmen.«
    »Du meine Güte, Shw«, sagte Nickie, »woher hast du denn so viele Fünfziger?«
    Der Geschäftsführer bestätigte, dass das Geld Shw gehörte, aber die Polizisten untersagten ihr trotzdem, das Beweismaterial zu berühren.
    »Was? Meinen Sie, ich will das geronnene Blut erst abkratzen, wenn es getrocknet ist?«
    »Lassen Sie es, wo es ist, Ma'am, oder ich werde Sie wegen Manipulation des Tatorts anzeigen.«
    Shw schleuderte ihre Handtasche zu Boden. Sanitäter in Raumanzügen stürzten sich auf Kevin, während zwei Beamte sich von Nickie eine Beschreibung der beiden Gangster geben ließen: »Der eine war so Kevin-Costner-mäßig süß, aber seine Augen waren böse, als hätte er als Kind Käfer und Kleintiere gequält. Er hatte sehr schlechte Haut - zu viele Drogen, oder er ernährt sich nur von Süßigkeiten. Auf dem rechten Handrücken hatte er ein blau tätowiertes Keltenkreuz - ach ja, und er hatte ganz schön was in der Hose.«
    »Das können wir in unserem Bericht nicht schreiben, Ma'am.«
    Kevin wurde auf eine Trage gehoben, während Janet seine gesunde Hand festhielt. Die Sanitäter hatten ihn mit einem knisternden Laken aus Plastikfolie zugedeckt - einer Raumfahrtdecke. Unter dem Plastik verborgen wurde er zur Tür hinaus und ins Sonnenlicht geschoben, welches ihn und seine Metalldecke in einen glitzernden, zerknitterten Fertiggerichtbehälter verwandelte.
    Janet redete mit den Polizeibeamten von Orange County, und dann war Nickie wieder an der Reihe. Während sie verhört wurde, sprach ein weiterer Polizist mit Shw. Es ärgerte Janet, dass sie nur Fetzen von dem aufschnappte, was Shw sagte ...
    »... ich bin mit denen hier« - Shw deutete auf Nickie und Janet -, »aber wir kennen uns kaum. Ich war mal mit dem Sohn der älteren Frau zusammen.«
    War?
    Shw war nicht gerade die personifizierte Herzlichkeit zwischen Jung und Alt. Sie wollte bloß weg, und zwar schnell. Schließlich durfte sie ihre restlichen Geldscheine aufsammeln. Der