Alle lieben Merry
sich sein Gehirn hinter dem Reißverschluss seiner Hosen befunden hatte. Nie. Nie war er so egoistisch gewesen, zu riskieren, dass eine Frau schwanger wurde.
Es lag an
ihr.
Sie hatte ihn magisch in ihren Bann gezogen. Hatte ihn in einen Fremden verwandelt, den er nicht mehr wiedererkannte. Sie ging ihm unter die Haut. Wie ein Splitter, den man sich eingezogen hatte. Oder wie eine Infektion. Oder eine ansteckende Krankheit.
Am allerschlimmsten war, dass er es nicht erwarten konnte, sie wiederzusehen.
Jack wusste sehr wohl, dass er Hilfe benötigte. Ihn hatte eine schlimme Krankheit befallen. Vielleicht brauchte er Medikamente. Psychopharmaka? Vielleicht gab es irgendwo einen Therapeuten, der wusste, wie man einen Mann wieder zur Vernunft bringen konnte. Notfalls mit Gewalt.
“Ja, ja”, sagte er zu Dianne. “Das kenne ich schon. Dir ist etwas bei der Arbeit dazwischengekommen. Das ist nichts Neues. Und du weißt verdammt gut, dass ich die Kinder gerne bei mir habe. Aber hast du noch nie davon gehört, dass man so etwas vorher ankündigen kann? Sicher, sie sind dieses Wochenende ohnehin hier, aber ich muss trotzdem nach Washington hineinfahren und ihre Kleider und die anderen Sachen holen. Dann muss ich wieder zurückfahren und sie in die Schule bringen … Es ist doch nicht so, dass man das alles nicht organisieren muss. Warum bloß kannst du mir so etwas nie vorher sagen?”
Normalerweise bemühte er sich, mit seiner Exfrau halbwegs zivilisiert zu kommunizieren. Es war nicht immer so schwierig wie jetzt. Mit ihr zu streiten interessierte ihn längst nicht mehr, aber immer nur nett zu sein führte scheinbar dazu, dass sie noch fordernder wurde.
Seine
Zeit war ihr völlig egal.
Ihre
allerdings war alles andere als egal.
“Du könntest zumindest ihre Schulbücher und Kleider vorbeibringen anstatt zu erwarten, dass ich alles abhole.”
Gewisse Frauen machten einen Mann hart und böse, dachte er düster, während er in die Küche ging. Doch als er durch das Fenster über der Spüle schaute, vergaß er Dianne augenblicklich.
In Merrys Küche waren zwei Köpfe zu sehen, der eine blond, der andere braunhaarig. Sein Blick heftete sich auf Merry. Sie hob den Arm, wandte sich Charlene zu, eindeutig in der Absicht, die Kleine zu umarmen … aber Charlene wich zurück. Die schlanke Hand mit den roten Fingernägeln blieb einfach so in der Luft stehen, während Charlene aus der Küche stürmte.
Das Kind brach ihr das Herz.
Nicht dass ihn das kümmerte. Nicht dass er sie liebte. Denn das tat er nicht.
“Natürlich kannst du mit den Kindern sprechen. Cooper!” Mit dem Telefon in der Hand ging er von der Küche durch das Wohnzimmer zu den Zimmern seiner Söhne. Er fand Kicker – bekannt dafür, länger zu duschen als die meisten Menschen schliefen – im Badezimmer. “Sprich mit deiner Mutter.”
Leider war es nicht ganz so leicht, den Hörer weiterzureichen.
“Findest du Cooper nicht?”, fragte Dianne. “Soll das bedeuten, dass du nicht weißt, wo dein Sohn ist?”
Sich mit ihr zu unterhalten hatte viele Ähnlichkeiten mit Abstauben. Wozu? Es kam ohnehin alles wieder. Nie ließ sich dadurch etwas bereinigen oder klären. Als er wieder am Küchenfenster vorbeiging, entdeckte er Cooper.
Wie er aus Merrys Haus kam.
“Hey”, sagte er, als der Junge durch die Tür kam, “ich habe dich gesucht. Deine Mutter ist am Telefon und will mit dir reden. Das Telefon ist bei Kicker im Bad.”
“Okay”, sagte Cooper und ging aus der Küche. Doch Jack hatte ihm ins Gesicht gesehen. Große, dunkle Ringe unter den Augen. Kein direkter Augenkontakt. Und der Junge hatte sich beim Hinausgehen den Nacken massiert, als säße eine mächtige Verspannung zwischen seinen Schulterblättern. Irgendetwas war mit Cooper los. Genau dieses Etwas versuchte Jack seit Tagen – ja, seit Wochen – aus ihm herauszukriegen.
Und nun war er bei Merry gewesen. Aus welchem Grund?
Seine Söhne redeten sonst nur selten mit ihrer Mutter, also hatte er, während sie telefonierten, jede Menge Zeit, den Geschirrspüler einzuschalten, seine Aktentasche mit Arbeit für den morgigen Tag vollzupacken und Wäsche aus der Maschine in den Trockner zu geben. Kicker kam als Erster in die Küche. Cooper kam nach. Beide gingen zielstrebig zum Kühlschrank und räumten ihn in dreißig Sekunden beinahe zur Gänze aus.
“Dad, wir müssen nach Hause. Wenn wir kommende Woche bei dir sind, brauchen wir ein paar Sachen. Mom meint, sie hat es dir gesagt. Sie ist
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