Alle lieben Merry
schon so gut wie weg, aber ich habe die Nummer, unter der wir sie erreichen können”, sagte Kicker.
Tja, dachte Jack. Immer der gleiche Mist. Sie hatte die Jungs glauben gemacht, dass es für ihn in Ordnung wäre, die lange Fahrt auf sich zu nehmen, damit sie ihre Sachen holen konnten. Sie war so gut darin, ein Biest zu sein, dass sie in diesem Fach Nachhilfe geben könnte. Was heißt, könnte, sie hatte es schon getan. Nämlich bei ihm. Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Cooper ihn unterbrach.
“Hey, du hast noch gar nicht berichtet, wie es gestern Abend gelaufen ist.”
“Ich hätte es euch gerne erzählt, wenn ihr nicht bereits tief und fest geschlafen hättet.”
“Also? Gestehe, Dad. Hast du Merry vor den Monstern gerettet?”
“Monstern?”, fragte Jack.
“Ja. Die anderen Eltern.”
Zugegeben, er musste grinsen. “Alles war okay mit Merry. Und – das nur nebenbei – sie hat mich dort nicht im Geringsten gebraucht.”
“Vielleicht nicht
gebraucht
, aber ich wette, sie war froh, dass du da warst. Du bist doch nicht mehr böse, weil wir dich dazu verdonnert haben, oder?” Kicker trank auf einen Zug den letzten halben Liter Milch aus. Dann warf er die Packung auf den Küchentisch und schlug sie mit der Hand platt. Milch spritzte auf die Tischplatte und die Wände. Jack seufzte. So etwas hatte ihm nie etwas ausgemacht. So lange nicht, bis er es selber wegputzen musste.
“Nein, ich bin nicht böse.”
“Siehst du, Dad?” Cooper vergrub eine Hand in der Schachtel mit Cornflakes. Jack wusste nur zu gut, dass gleich die ganze Packung leer sein würde. “Verstehst du jetzt, was wir versucht haben, dir klarzumachen? Das ist der Unterschied zwischen Merry und den Frauen, mit denen du dich sonst verabredest.”
“Lass mich raten, was dieser Unterschied ist. Dass ich mich nicht mit Merry verabrede?”
“Sehr witzig. Nein, der Unterschied ist, dass sie nett ist. Und die anderen nicht.”
“Genau”, stimmte Kicker zu. “Manche sind ja ganz schnuckelig, aber sie sind alle auf sich selbst bezogen. Verstehst du?
Du
bist nicht wichtig für sie, Dad.”
Natürlich glaubten die Jungs, sie wüssten Bescheid. Als er in ihrem Alter gewesen war, hatte er auch über alles Bescheid gewusst. In Liebesdingen auf ihren Rat zu hören erschien ihm allerdings ziemlich albern. Vor allem, wenn sie recht haben könnten. Sein Scheitern in Beziehungen war offensichtlich und bereits legendär.
Doch während seine Söhne der Ansicht waren, er sollte wieder aufs Pferd steigen, war Jack der Meinung, dass ein Mensch ohne Gehör die Hoffnung auf eine Karriere als Musiker ein für alle Mal begraben sollte. So sah er das. Er hatte es den beiden schon früher zu erklären versucht, aber irgendwie hatten sie die Metapher nicht ganz verstanden.
“Wenn wir heute noch nach Washington fahren müssen, setzt ihr besser eure Hintern schon mal in Bewegung. Und, Coop …”
“Was?”
“Wieso warst du bei Merry drüben?”
“Bei Merry? Oh, ich wollte sie dazu überreden, dass sie dich heiratet, Dad.” Coop schlug mit der Hand auf Kickers Schulter, um ihn auf seinen Spitzenwitz aufmerksam zu machen.
Schon gut, dachte Jack. Noch ein Geheimnis, das der Junge vor ihm hatte. Klar, kein Fünfzehnjähriger erzählte seinen Eltern alles. Es wäre dumm, das zu erwarten. Oder es zu wollen. Jack ging davon aus, dass er es Merry schon aus der Nase ziehen würde, sobald er sie das nächste Mal sah.
Und da sie Nachbarn waren, würden sie sich ohnehin bald über den Weg laufen. Zwangsläufig. Er wünschte nur, er wäre so klug gewesen, daran zu denken, bevor er mit ihr geschlafen hatte.
Merry stand vor ihrem Kleiderschrank, wie sie es schon millionenmal getan hatte, seit sie dreizehn geworden war. Die Frage war, was sie für den Elternsprechtag an diesem Nachmittag anziehen sollte. Unschlüssig wiegte sie den Kopf hin und her.
Im Gegensatz zu ihren früheren Leben als Frau kamen für heute eigentlich nur Jeans in Frage … oder Jeans. Und ein Sweatshirt oder T-Shirt.
Glanz und Glamour waren für eine Vorstadtmom nicht unbedingt angesagt. Ebenso wenig extravagante Schuhe, Glitzercreme für die Schultern oder auffälliger Lippenstift. In weniger als zwei Monaten hatte sie sich als vormals junge, dynamische, lebensfrohe Frau an ein Leben gewöhnt, in dem ein Push-up-BH schon etwas Außergewöhnliches darstellte.
Andererseits wäre sie für Jack nur allzu gern wieder in ihr ursprüngliches Selbst geschlüpft – angenommen,
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