Alle meine Schaefchen
verursachst sonst bei der alten Martha noch einen Herzinfarkt.«
Er gab mir recht. »Aber wer hätte das vorausahnen können?«
Ja, wer?
Dieser Zwischenfall hatte heute morgen die Wohnungssuche der beiden Gänse unterbrochen, aber bald waren sie wieder auf Achse. Shirley war als Zeugin zugegen, als sie von unserem Jack-Russell-Terrier aus dem Kälbergehege fortgejagt wurden, in das er selber während der kalten Jahreszeit eingezogen war. Nachts kuschelte sich der kleine Hund gegen die warmen Kälberleiber, und beiderseits war man sehr zufrieden mit diesem Arrangement. Er hatte nicht die Absicht, diesen Platz mit einer brütenden Gans zu teilen.
Eins der beiden Kinder entdeckte ein Gänseei, das auf einen Haufen Bausand in einer Ecke des Viehhofs gelegt worden war. Daraufhin formten wir einen kleinen Krater, legten ihn mit Stroh aus und hofften, daß sich Martha dort niederlassen würde. Mitnichten. Der Ganter zog eine bestimmte Ecke im Heuschober vor, ganz in der Nähe des Nestes vom vorigen Jahr. Er war schließlich der Boß dieser alten Schachtel im Federkleid. So setzte sie sich gehorsam aufs Nest und legte zwei Eier in zwei Tagen. Das Ei vom Sandhaufen legte Shirley mit dazu.
Doch, ach! Dieses Jahr würden wir keine kleinen Gänschen haben! Als ich eines Morgens im ersten Dämmerlicht hinausging, entdeckte ich sofort den toten Körper der armen Martha auf der Wiese oberhalb des Teichs. Der Fuchs hatte sie geköpft!
Wir schlossen von den verstreuten Daunen und Federn, daß die Gänse wahrscheinlich beim Fressen gewesen waren und nicht gemerkt hatten, daß der Jäger sich zwischen sie und den Teich schlich. Sehr gut konnte ich mir die Szene vorstellen: Moses rannte um sein Leben, ließ seine Frau im Stich, und Martha, besonders schwerfällig durch die Eier, wurde erbeutet. Das war eine sehr traurige Geschichte für uns. Eine Menge Spaß hatten wir mit diesem gefiederten Ehepaar gehabt. Für uns waren die beiden nicht Kleinvieh, sondern eher gefiederte Spaßmacher.
Shirley war entsetzt über die Nachricht.
»Arme alte Martha. Was werden die Kinder sagen?«
»Ich hab’ den Kadaver in den Traktorschuppen gelegt; was willst du damit machen?«
»Was ich damit machen will?« fragte sie. »Wie soll ich das verstehen?«
»Zum Beispiel Gänsebraten.«
Einen Augenblick lang herrschte eine unheilvolle Stille. Dann kam ihre Reaktion. »Wir sollen Martha essen? Was bist denn du für ein Mensch? Das ist ja kannibalisch!«
»Aber Gänse werden doch gegessen.«
Sie war außer sich: »Aber doch keine Lieblingsgänse, doch nicht Martha!«
»War ja nur so’n Gedanke«, erwiderte ich kleinlaut, »nur so’n Gedanke.«
Mit Bestimmtheit ordnete sie an: »Martha werden wir ein richtiges christliches Begräbnis, wie es sich gehört, im Garten geben. Wir werden sie neben Fanny Fatcat beerdigen.«
Das war die kleine schwarze Katze gewesen, die wir aus London mitgebracht hatten. Sie hatte irgendwo Rattengift gefressen und war daran gestorben.
»In Ordnung«, sagte ich. »Ich stecke den Kadaver in einen ausgedienten Futtersack.«
»Am besten ist, du gräbst auch gleich das Grab«, sagte sie etwas ruhiger. »Dann ist schon alles vorbereitet, wenn die Kinder von der Schule nach Hause kommen.«
»Bestellst du den Grabstein?«
»Du machst ein Holzkreuz mit ihrem Namen drauf. Das genügt.«
»Können John und ich in Arbeitskleidung daran teilnehmen, oder müssen wir schwarze Anzüge anziehen?« fragte ich.
Leichtfertige Ironie, so bedeutete man mir, sei in dieser Situation unangebracht.
Die Kinder waren genauso entsetzt, wie ihre Mutter es gewesen war, aber sie beruhigten sich etwas, als sie von den Plänen für ein Begräbnis hörten. Marthas Kadaver — der Fuchs hatte ja den Kopf fortgeschleppt — wurde auf den Grund des Erdlochs gelegt. Shirley und die beiden Kleinen sangen zwei Strophen des Liedes >Abide with me< und schlossen mit einer gefühlvollen Wiedergabe von >The holly and the ivy<. John und ich hielten uns mehr im Hintergrund und spielten die Doppelrolle als trauernde Familienmitglieder und als Totengräber. Es war sehr eindrucksvoll.
Als alles vorüber war, hatte der Vogel ein schönes kleinen Grab bekommen mit einem hübschen hölzernen Kreuz an seiner Kopfseite, worauf >R. I. P. Martha, geliebtes Gänsetier< stand. Es gab zwar keine Blumen, aber Vicky hatte einen selbstgewundenen Kranz aus Stechpalme auf den Hügel gelegt.
Nach der Zeremonie gingen die Trauernden über den Rasen auf das Haus
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