Alle meine Schaefchen
die sich hinter unserem Haus erstreckte, so daß wir sie schneller und einfacher erreichen konnten.
Ungefähr um Mitternacht krochen entweder John oder ich aus dem Bett, zogen uns an und machten einen Kontrollgang, um sicherzugehen, daß alles in Ordnung war. Dabei wurde der alte Duffle Coat derart dreckig und stank so fürchterlich, daß Shirley ihn sich eines Tages einfach schnappte, als wir beide nicht in der Nähe waren, und ihn auf unseren großen Abfallhaufen ins Feuer warf. Er hatte uns beiden hervorragende Dienste geleistet. Sein Verschwinden war fast wie der Verlust eines guten Freundes.
»Er miefte fürchterlich, es war eine Schande«, entgegnete sie mitleidslos.
Es stimmte schon: Er hatte sich ein gewisses Aroma zugelegt, einen weit gefächerten, scharfen, landwirtschaftlichen Geruch, der an neugeborene Lämmer, Kälbchen und Ferkel erinnerte mit einer kräftigen Würze durch Kunstdünger, Mist und biederen Dreck. Aber dieses traurige Ende hatte er eigentlich nicht verdient.
Als Ersatz brachte die Herrin von Egerton einen alten Mantel an, den sie in einem Ramschverkauf in der Schule erstanden hatte. Er war aus Tweed und gab sich einen aristokratischen Anschein durch seine wattierten Schultern, den abgetragenen Gürtel und den gesellschaftlichen Allüren. Er hatte einem Mann gehört, der viel größer gewesen war als ich, so daß er jetzt wie ein zusammengebrochenes Zelt an mir herunterhing. Und an John sah er noch viel schlimmer aus. Schmerzlich vermißten wir unseren alten Duffle Coat, und unseren mitternächtlichen Spaziergängen fehlte seitdem das Air der vorigen Jahre.
Die Zeit des Lammens verlief einigermaßen glatt. Die Temperatur fiel auf den Gefrierpunkt ab in den meisten Nächten, aber während der zwei Wochen, die wir auf Nachtwache gingen, kam es zu keinen Niederschlägen. Als alles vorüber war, hatten wir drei Mutterschafe verloren sowie zwei Lämmer und erhielten fünf kleine Waisen — >Caïds< wurden sie von den Einheimischen genannt.
Eines der Opfer war Blue Nose. Sie war derart schwach auf den Beinen, daß wir sie in ein getrenntes Gehege brachten, um sie besser beobachten zu können. John spielte bei ihr Hebamme und half, ihre beiden Lämmer auf die Welt zu bringen; aber die Anstrengung sog das letzte bißchen Kraft aus ihrem Körper. Sie säuberte zwar die beiden, die schnell auf den Beinen standen und nach Nahrung suchten, aber sie hatte keine Milch für sie. Sie war trocken.
John trug die Kleinen zu der Einfriedung hinüber, die wir mit Hilfe von Strohballen im hinteren Teil der Scheune gebaut hatten, und gab ihnen Ersatzschafsmilch aus Flaschen zu trinken, die wir bei der Bauernkooperative gekauft hatten. Er hatte ein Lämmchen auf dem Schoß und fütterte es gerade, als ich hinzutrat.
»Die zwei haben ihr den Rest gegeben«, sagte er.
Er hatte recht. Man konnte nichts mehr für sie tun. Sie legte sich hin und starb.
Zusammen mit den anderen wurde ihr Kadaver als Futterfleisch in den hiesigen Zwinger für Fuchsjagdhunde gebracht. Sieben oder acht tote Schafe lagen bereits hinten auf dem Kleinlaster, der dem Zwinger gehörte, als er bei uns ankam.
»Kein schlechtes Jahr«, sagte munter der Fahrer zu mir.
»Für die Jagdhunde?«
»Nein«, entgegnete er schnell. »Ich mein’ natürlich für die Bauern. In den meisten Jahren haben wir das Doppelte an Schafskadavern aufgelesen.«
»Armes altes Mädchen«, sagte ich, als das Auto davonfuhr.
John sah die Sache nüchterner. »Du hättest sie sowieso auf dem Markt verkaufen müssen; es lohnt sich nicht, ein trockenes Schaf zu behalten. Der Verlust beträgt nur einige Pfund, das ist nicht so schlimm.«
Obgleich er im Grunde recht hatte, schien es mir doch, als läge etwas mehr dahinter.
Wir waren sehr erleichtert, als das Lammen vorbei war — obgleich noch einige Nachzügler auf sich warten ließen — und wir abends ins Bett klettern konnten mit der Gewißheit, erst um fünf Uhr morgens, wenn der Wecker rasselte, wieder daraus hervorkriechen zu müssen. Um dies Ereignis mit einem Schluck zu feiern, gingen Shirley und ich hinauf zur >Schmiede<. Dort wollten wir uns in die behaglich eingerichtete und etwas elegantere Bar setzen, die sonst von den Städtern im Sommer bevorzugt wurde. Aber Jonathon hatte uns erspäht und steckte den Kopf um die Trennwand.
»Versucht ihr uns zu meiden?«
Darauf gesellten wir uns zu ihm und seinen Kumpels in der Schenke.
Nach den üblichen Hänseleien fragte er mich: »Wie viele Lämmer
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