Alle meine Schaefchen
Höhe.
»Zumindest ist er groß genug, um für den ersten und den zweiten Preis zu gelten«, bemerkte ich.
Shirley trat mir auf den Fuß.
»Mein Mann, Teddy, ist genauso«, gestand Ruth Shirley verständnisvoll. »Wenn die ein Ding nicht mit einem Knüppel schlagen oder mit Heu füttern können, wissen sie nichts damit anzufangen.«
Am unteren Ende des Saales tauchte Aaron auf und winkte.
»Da hinten ist jemand, den ich begrüßen möchte«, sagte ich zu den beiden Frauen und verschwand.
Es hörte sich an, als wäre ihnen hinter meinem Rücken ein Witz gelungen, denn sie lachten laut.
Der Bauer aus dem hügeligen Berggebiet hatte sich in seinen besten blauen Anzug aus Serge geworfen. Die Jacke wurde vorn von einem Knopf über der breiten Brust und dem vorstehenden Bauch zusammengehalten. Selbst eine Krawatte hatte er sich zur Feier des Tages umgebunden.
»Wo steckt Ria?« fragte ich ihn.
»Dort drüben. Sie hilft bei den Erfrischungen.«
Plaudernd standen wir beieinander und sprachen in erster Linie über die bevorstehende Periode des Lammens, bis der Vikar, ein grauhaariger Mann, der mit seinen herabhängenden Wangen wie ein kränklicher Spürhund aussah, auf den Preistisch klopfte und die Spielregeln verkündete:
Man würde zwölf Runden spielen. Die Gewinner würden die Tische wechseln, und zwar in Uhrzeigerrichtung. Eine Dame als Gewinnerin in entgegengesetzter Richtung. Die Verlierer würden am Tisch sitzen bleiben, aber die Plätze wechseln. Die verlierende Dame würde auf ihrem Platz verharren.
Shirley und ich spielten unser erstes Blatt gegen einen sehr ernsten Mann in dunklem Anzug, der kaum ein Wort sprach und finster in seine Karten starrte, sowie gegen dessen Frau, die kaum Interesse an ihren Karten zeigte, sondern munter über ihren Krämerladen und das kleine Postamt plauderte, das sie gemeinsam führten. Dank der unbeabsichtigten Hilfe der Postbeamtin gewannen wir mit acht zu fünf Punkten. Ein guter Anfang! Danach war Shirley auf sich selbst gestellt.
Es gab vierzehn Tische; wir trafen uns erst wieder in der Pause, während der alle herumlaufen durften, um sich die Beine zu vertreten oder Tee und Kuchen zu sich nehmen konnten, wenn man bereit war, dafür zu zahlen. Shirley hatte eine wunderbare Glückssträhne: im ganzen neunundvierzig Punkte — fünf mehr als ich. Sie schnurrte fast vor Wohlbehagen.
»Menschenskind, Shirley!« rief Aaron, als er mit Ria zu uns trat. »Du mußt trainiert haben oder so. Ich hab’ noch nie jemanden beim Whist das Blatt so spielen sehen wie du das tust.«
Er war aufrichtig beeindruckt.
»Als deine Missus gegen meine ersten beiden Karten Trumpf setzte, hatte keiner am Tisch eine Ahnung, worauf sie hinauswollte«, klärte er mich auf. »Aber dann stellte sich heraus, daß sie so wieder ans Spiel kam und fünf Stiche hintereinander machte. Möcht’ verdammt gern wissen, wie sie das geschafft hat.«
Die besagte Dame nippte an ihrem Tee und hüllte sich diskret in Schweigen.
»Ich hätt’ ein oder zwei Shilling gegeben, um das zu beobachten«, sagte ich zu ihm und spürte im selben Moment einen heftigen Tritt auf meinem Fuß, auf dem sie heute abend bereits schon einmal gestanden hatte.
Während der zweiten Hälfte spitzte ich besser die Ohren, um ihre Erfolge belauschen zu können.
»Oh, das tut mir leid, ich habe nicht bemerkt, daß Sie bereits den König ausgespielt hatten.«
»Nun, es ist besser, auf Nummer Sicher zu gehen als zuviel zu riskieren, Partnerin.«
»Stell’n Sie sich vor: ich hab’ gar nicht gesehen, daß ich noch ein Kreuz hatte.«
Es kam wie ein Schock über mich, als sich beim Ausrechnen der Punkte herausstellte, daß sie an dritter Stelle lag mit — neunzig Punkten! Die traurig dreinschauende Ente gehörte uns. Es kam zu einer spontanen Applauskundgebung seitens ihrer Opfer, als sie das Tier vorn in Empfang nahm.
Der Abend endete mit dem Ziehen der Lose. Der Vikar tauchte seinen Arm in einen Sack und brachte den Zettel zum Vorschein, mit dem man den Pullover gewinnen würde. Die allgegenwärtige Ruth las laut die Nummer vor. Der Eigentümer war ein adrett angezogener Bauer. Ich erwartete, daß er schockiert zusammenzucken würde. Doch er nahm das Stück mit offensichtlichem Vergnügen in Empfang und reichte es seiner Tochter weiter. Sie war eine sehr gut gebaute junge Frau, die allen mit lauter Stimme verkündete, daß sie den Pullover bei dem nächsten Querfeldeinrennen tragen würde. Eins war sicher: falls sie das tat,
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