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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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die Adern traten auf seinen Handrücken hervor, die auf den hölzernen Armlehnen ruhten.
    Ruth machte uns miteinander bekannt. »Das ist unser Onkel Lewis, er lebt mit uns.«
    Seine Augen blickten uns klar und ruhig an. »Ihr seid also die Leute von Egerton. Man hat über euch geredet.«
    »Das hört sich ja nicht sehr schmeichelhaft an«, erwiderte ich.
    Er lachte. »Keine Angst, vor alten Männern sagt man nur Gutes über andere, weil wir uns ja nicht aufregen dürfen. Die würzigen Nachrichten behalten sie immer für sich.«
    »Alte Männer?« protestierte Shirley. »Sie sprechen doch bestimmt nicht von sich selbst, oder?«
    »Ich bin sechsundachtzig Jahre alt, wie Sie ganz genau wissen«, grinste er. »Aber die Damen sagen, daß ich lediglich wie knapp über achtzig aussehe.«
    »Keinen Tag mehr als fünfundsiebzig.«
    »Ach«, seufzte er gekonnt, »wenn Sie doch nur ein wenig älter wären oder ich ein wenig jünger...«
    Zu dieser Party waren etwa ein Dutzend Kinder eingeladen, die meisten hatten Nickis Alter und kannten sich aus der Dorfschule. Die Frauen, zu denen sich auch Vicky zählte, waren damit beschäftigt, Spiele zu organisieren oder das Essen vorzubereiten. Die Männer unterhielten sich. Ich war das erste Mal auf der Wheel-Farm, aber Shirley hatte bereits mehrere Strickabende dort verbracht. Der Hof lag westlich von Egerton, nach Ludlow zu und weiter fort von der Landstraße. Aber anstelle unseres holperigen, mit Schlaglöchern übersäten Weges konnte man sich Wheel auf einer schwungvoll angelegten Auffahrt nähern, die auf beiden Seiten von stämmigen Eichen flankiert wurde. Wenn diese Bäume hätten sprechen können, würden sie bestimmt so manche interessante Geschichte zu berichten haben. Es war ein großes, wohlhabend anmutendes Anwesen mit einem prächtigen Fachwerkbauernhaus aus der Tudorzeit, das eine harmonische Einheit mit seiner Umgebung bildete.
    Ruths Ehemann, Teddy Wainwright, ein großer sehniger Mann mit einem schmalen, sensiblen Gesicht, war ein wenig älter als ich. Wir waren uns bereits früher begegnet und uns nicht mehr ganz fremd, aber jeder hatte zu einer anderen Gruppe von Freunden gehört. Seine erste Frau war gestorben, so daß er allein mit einer kleinen Tochter Sally zurückblieb. Inzwischen war Sally zu einem freundlichen Mädchen von siebzehn Jahren mit rotblondem Haar herangewachsen. Sie trat mit ihrem Vater zu unserer Begrüßung vor die Tür und zeigte mir, wo ich das Auto auf dem gepflasterten Innenhof parken konnte.
    »Nun, was halten Sie von Wheel?« fragte mich Lewis, nachdem uns die Frauen alleingelassen hatten.
    »Er hat doch noch gar keine Gelegenheit gehabt, es sich anzusehen«, entgegnete ihm Teddy. »Aber wir können ja einen Rundgang machen, wenn Jacky nichts dagegen hat.«
    Ich war damit einverstanden. »Seit wann gehört Ihnen dieses Anwesen?«
    »Ich bin hier zur Welt gekommen. Gemessen an den heutigen Preisen, hat mein Großvater es fürn paar Pfennige damals gekauft. Aber Lewis weiß eigentlich viel mehr über den Hof als ich.«
    Mit einem langen Feuerhaken schob der alte Mann ein Holzscheit zurecht, das aus dem Kamin zu rollen drohte.
    »Ich hab’s meiste auch nur gehört. Es sollen hier die Vaughans gelebt haben, mehrere Generationen. Als ich noch ein kleiner Junge war, nannte man >Wheel< damals oft >Welshman’s Farm<. Danach wohnten hier die Sturtons und höchstwahrscheinlich noch andere Familien. Natürlich sah das Leben damals ganz anders aus. Die Leute sprangen nicht wie kranke Flöhe auf dem Land herum. Man hatte Pferde, richtige Pferde, und nicht eure ekelhaften Traktoren, die hinten Schwefel und dreckiges Öl ausspeien. Ja, in jenen Tagen betrieb man noch richtige Landwirtschaft.«
    »Haben Sie mit Pferden gearbeitet?«
    Die Erinnerung daran brachte ein Lächeln auf seine Lippen. »Von der Zeit an, als ich nicht viel größer war als der kleine Edward, der da draußen seine Party feiert. Zumindest nicht sehr viel größer.« ‘
    Ruth unterbrach das Gespräch, da sie mit Tee und Rosinenkuchen hereinkam. »Onkel Lewis, du mußt dich aber warm anziehen, wenn du nach draußen gehen willst«, drängte sie den alten Mann. »Ich möchte nicht, daß du dich erkältest.«
    Voller Widerwillen warf er den Kopf zurück. »Bloß weil man alt ist, denken die Frauen, daß man auch weich im Kopf ist, schon halb meschugge.«
    Unsere Gastgeberin ließ sich nicht ablenken: »Denk dran...«
    »Ja, ja, reg dich nicht auf!« entgegnete er, während Teddy hinter

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